In Verona sind Matteo Salvini und Giorgia Meloni nach Monaten wieder einmal gemeinsam auf einer Wahlkampftribüne gestanden – ihre Parteien unterstützen bei den Kommunalwahlen am Sonntag den gleichen Kandidaten. In der Stadt von Romeo und Julia – im historischen Zentrum ist der (angebliche) Balkon der schönen Adelstochter eine vielbesuchte Touristenattraktion – gaben sich die beiden sehr harmonisch, sie neckten und herzten sich. Und Meloni versicherte, "dass wir nicht das gleiche Ende wie Romeo und Julia nehmen werden".

Der Star der italienischen Rechten heißt eindeutig Giorgia Meloni, Chefin der postfaschistischen Fratelli d'Italia. Silvio Berlusconi (Forza Italia, links) musste das schon vor längerer Zeit akzeptieren. Und auch Matteo Salvini (Lega, rechts) kann nicht an frühere Erfolge anschließen.
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Das wohl berühmteste Liebespaar der Weltliteratur nahm sich, wie man weiß, das Leben. So weit wird es in in der Tat nicht kommen bei den beiden Rechts-außen-Chefs der italienischen Politik – aber Romeo alias Salvini hat große Angst vor Julia alias Meloni. Salvinis Lega ist in den Umfragen auf 15 Prozent abgesackt, nach 34 Prozent bei den Europawahlen 2019. Umgekehrt haben Melonis Fratelli d'Italia im gleichen Zeitraum ihren Stimmenanteil von sechs auf 22 Prozent beinahe vervierfacht.

Was sind die Umfragen wert?

Bisher handelte es sich nur um Umfragewerte, aber am Sonntag werden echte Stimmen ausgezählt – es naht die Stunde der Wahrheit. Falls sich die Prognosen bestätigen, dann ist Salvini im Hinblick auf die Parlamentswahlen im März 2023 seinen Führungsanspruch im Rechtslager los. Denn zwischen Salvini und Meloni gibt es einen ungeschriebenen Pakt, der in Verona einmal mehr bekräftigt wurde: "Wer von uns bei den Parlamentswahlen eine einzige Stimme mehr erzielt, wird das Land regieren", erklärte Salvini, der vom Sieg der Rechten in neun Monaten überzeugt ist.

Diese Überzeugung teilen viele in Italien – aber nur noch wenige würden heute noch darauf wetten, dass der nächste Premier Salvini heißen wird. Denn bei den Kommunalwahlen droht ihm Ungemach: Je nach Ausmaß der eventuellen Niederlage gegen Meloni riskiert Salvini auch seinen Posten als Parteichef.

Mit besonderer Spannung werden innerhalb der ehemals autonomistischen Lega die Resultate in Norditalien erwartet. Sollte Meloni ihren Konkurrenten nun auch in traditionellen Lega-Hochburgen überflügeln, dürfte es sehr eng werden für den "segretario" Salvini. Im Zentrum und im Süden des Landes ist die Lega ohnehin chancenlos gegen Melonis Partei.

"Unerwünschte Person"

Wie sehr sich die Gewichte aber auch schon im Norden verschoben haben, belegt das Beispiel von Verona: Der gemeinsame Kandidat von Salvini und Meloni für das Bürgermeisteramt ist ein Mitglied der Fratelli d'Italia. Noch vor wenigen Jahren hatte der Lega-Kandidat hier 57 Prozent der Stimmen erzielt. Für den Sinkflug der Lega ist Salvini selbst verantwortlich. Der einstige Shootingstar der europäischen Rechten scheint jeden politischen Instinkt verloren zu haben und stolpert von einer Pleite in die nächste.

Besonders desaströs agiert er, seit sein politisches Idol Wladimir Putin die Ukraine überfallen hat. Um sich vom russischen Diktator ein wenig zu distanzieren, reiste Salvini kurz nach der Invasion an die polnisch-ukrainische Grenze, um dort einige Flüchtlinge in Empfang zu nehmen. Doch der dortige Bürgermeister zeigte ihm ein T-Shirt mit Putin-Konterfei, wie es Salvini vor ein paar Jahren auf dem Moskauer Roten Platz zur Schau getragen hatte, und erklärte den Lega-Chef zur "unerwünschten Person".

Zuletzt blamierte sich der Lega-Chef, indem er eine neue Reise nach Moskau ankündigte – als selbsternannter Friedensstifter. Als sich herausstellte, dass die Mission weder mit Regierungschef Mario Draghi noch mit dem Außenministerium abgesprochen war, musste Salvini zum Rückzug blasen und die Reise absagen. Selbst Parteifreunde schlugen entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen, und Giorgia Meloni rieb sich die Hände.

Spekulation über Nachfolger

Tatsächlich muss Meloni gar nicht viel tun: Salvini demontiert sich seit Wochen selbst. In Italien wird er inzwischen mit Vorliebe als "amico di Putin", (Freund Putins) verspottet, zum Teil auch in der eigenen Partei. Besonders irritiert über die Alleingänge und Fehltritte des Lega-Chefs sind seine Minister – allen voran der Pragmatiker Giancarlo Giorgetti, Draghis Minister für wirtschaftliche Entwicklung. Ebenfalls verärgert sind einflussreiche Parteigrößen wie der Gouverneur des Veneto, Luca Zaia, oder jener von Friaul/Julisch-Venetien, Massimiliano Fedriga. Sie nehmen Salvini seit langem übel, dass er die autonomistischen Ideale von Parteigründer Umberto Bossi verraten hat.

Eine krachende Niederlage gegen Meloni könnte das Fass in der Lega endgültig zum Überlaufen bringen. Der über die Parteigrenzen hinaus respektierte Luca Zaia – er sammelte Punkte beim Kampf gegen Corona – gälte als aussichtsreichster möglicher Nachfolger Salvinis als Parteichef. Gewählt wird am Sonntag in rund tausend Kommunen; zu den Urnen gerufen sind neun Millionen Stimmberechtigte. Weges des späten Wahlschlusses um 23 Uhr ist mit Ergebnissen erst am Montag zu rechnen. (Dominik Straub aus Rom, 12.6.2022)