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Um jüngeres Publikum anzulocken, setzen kleinere Kinos erfolgreich auf Nischenprogramme.

Foto: Getty Images / Tataks

Der Publikumsschwund in kulturellen Einrichtungen wie dem Theater ist viel diskutiertes Thema und nicht nur auf die Pandemie zurückzuführen. Seit den 1980er-Jahren sinkt das Interesse am Theater ebenso kontinuierlich, wie es vormals als Statussymbol eines bürgerlichen Selbstverständnisses galt. Nun ist es mal zu provokant, mal zu bürgerlich und tut sich schwer, neues Publikum zu erschließen.

Vorbehalte wie diese wurden dem Kino selten entgegengebracht. Am ehesten traf der Vorwurf der Bevormundung noch auf die späten 1960er-Jahre zu. Damals bezichtigte der US-amerikanische Philosoph Stanley Cavell die jüngere Filmautoren-Generation, den Kinobesuch zu einem strengen Kult zu erheben, an dem die Leichtigkeit und das Potenzial des Kinos, alle Bevölkerungsschichten anzusprechen, zerschelle. Vor allem Godard brachte Cavell dazu, lieber zu Hause den Fernseher aufzudrehen, wo seine präferierten Screwball-Komödien noch gezeigt wurden.

Die Serienkonkurrenz

Was damals das Fernsehen war, ist heute ein omnipräsentes Online-Angebot: Der Zweistünder im Kino steht in Konkurrenz zu Serienmarathons und Tiktok-Rabbit-Holes. Während der Pandemie begannen dann auch noch die großen Studios, Filme ohne Kinostart direkt auf Streamingplattformen anzubieten. Das sollte jedoch, wie der Obmann des Fachverbands Kino Christian Dörfler versichert, sein Ende gefunden haben: Auf dem diesjährigen Branchentreffen CinemaCon in Las Vegas hätten sich die Studios klar zum Kino bekannt, denn mit Filmen ließe sich auf Streamingplattformen nichts verdienen.

Das Kino wird somit wieder als primäre Spielstätte für Film gepusht. Zumindest für Großproduktionen ist das ein Lichtblick.

Ältliches Programmkino

Am Blockbuster-Publikum fehlt es nämlich nicht, versichert der geschäftsführende Gesellschafter der Cineplexx-Group Christof Papousek. Schon Ende 2021 seien James Bond und Spider Man nur knapp am "Platinum-Ticket" (600.000 Zuschauer) vorbeigerauscht, und die Starts von Top Gun: Maverick und Doctor Strange wären sehr gut gewesen.

Fern bleibe hingegen das Abo-Publikum der Cineplexx-Opernübertragungen. Ein Hinweis darauf, dass vulnerable Gruppen noch Vorsicht walten lassen. Das lässt möglicherweise auch auf das geringere Interesse für mittelgroße Filme – darunter fallen auch Arthausfilme – schließen. Betroffen sind hier vor allem die Programmkinos, denn laut einer Studie des Fachverbands Kino von 2017, sind die Altersgruppen 50 plus dort am häufigsten vertreten. Außerdem müssen sich die regulären Filmstarts mittlerweile den Platz mit zahlreichen Spezialprogrammen teilen, wirft Gerald Knell, Ko-Leiter von Filmcasino und Filmhaus am Spittelberg, ein.

Nicht täglich Festival

Die meisten kleineren Kinos setzen seit einiger Zeit auf zielgruppenorientierte Programme, denn die generieren erfolgreich neues, jüngeres Publikum. Filmcasino und Filmhaus etwa zeigen Anime, Musikfilme und lateinamerikanisches Kino – aufgrund dessen seien die Besuchszahlen 2022 bislang etwa auf vorpandemischem Niveau. Doch, so Knell, der auch den Verleih Polyfilm leitet: Man kann nicht jeden Tag ein Festival veranstalten, auch die Verleihfilme verdienen Publikum.

Einen Silberstreif am Horizont sieht Michaela Englert, Betreiberin des Wiener Admiralkinos, das in der Programmgestaltung auf Geschlechterparität setzt. Es werde derzeit daran gearbeitet, ein prämiertes Erfolgskonzept ins Land zu holen, das für die niederländischen Arthauskinos das scheinbar Unmögliche vollbracht hat: jüngeres Publikum, Anstieg der Besuchszahlen und eine größere Experimentierfreudigkeit bei der Filmauswahl.

Trotz Totalausfall...

"Cineville" ist ein monatliches App-basiertes Abosystem, das ermöglicht, unbegrenzt die teilnehmenden Kinos zu besuchen. Das wiederum würde auch die Lust am spontanen Kinobesuch fördern, die seit Corona nahezu versiegt ist.

Corona ist und bleibt der Elefant im Raum. Nach wie vor kämpfen alle österreichischen Kinos darum, an die vorpandemischen Besuchszahlen von 2019 anzuknüpfen. Diese haben sich innerhalb der letzten zehn Jahre auf circa 15 Millionen Kinobesuche pro Jahr eingependelt und brachen 2020 um 70 Prozent ein. 2021 gelang es mit Corona-Hilfen, trotz teilweiser Totalausfälle durchzuhalten. Auch das erste Jahresquartal 2022 war von der Omikronwelle und Beschränkungen geprägt, 44 Prozent weniger Menschen als 2019 besuchten die Kinos.

Im Mai minus 40 Prozent

Der April begann dann mit einem Minus von nur 7,9 Prozent vielversprechend, doch im Mai waren es dann wieder minus 40. Aufgrund dessen ist Obmann Dörfler in seinen Zukunftsprognosen verhalten: Wenn man Ende 2022 insgesamt nur 15 bis 20 Prozent weniger Publikum als 2019 verzeichnen könnte, wäre das ein annehmbares Ergebnis. Das Bekenntnis zu Kino ist ebenso vorhanden wie neue innovative Ideen. Nun heißt es vor allem für die kleineren Kinos, sowohl ihre Stammgäste als auch neues Publikum wieder ins Kino zu locken. (Valerie Dirk, 11.6.2022)