Der Juni steht als "Pride"-Monat im Zeichen der Rechte, der Akzeptanz und der Sichtbarkeit der LGBTQIA+-Community. Der Höhepunkt der Vienna Pride ist die Regenbogenparade am 11. Juni. Der Veranstaltung kommt heuer eine besondere Bedeutung zu – erstmals seit Pandemiebeginn findet sie wieder in voller Größe und mit Fahrzeugen statt. Um die 200.000 Teilnehmende werden auf der Wiener Ringstraße erwartet. Mit dabei sind auch gesponserte Trucks von Firmen wie beispielsweise der Erste Group, Takeda und Magenta Telekom.

Die 25. Regenbogenparade fand im Vorjahr als reine Fußgängerveranstaltung statt.
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Der positive Einfluss von Diversität auf Firmenerfolg und Teamarbeit wird in zahlreichen Studien sichtbar. Dass viele Unternehmen diese Chance für sich erkannt haben, zeigt unter anderem eine Umfrage des Personalsoftware-Anbieters Workday. Die Erhebung wurde im Vorjahr von Sapio Research unter mehr als 2200 Personalverantwortlichen und Führungskräften aus 14 europäischen Ländern durchgeführt. Das Ergebnis: Drei von vier Unternehmen erachten die Bedeutung von Vielfalt in ihrem Führungsteam als wichtig.

Fast alle Organisationen (90 Prozent) führen zudem mindestens eine Initiative zur Förderung von Inklusion und Diversität durch. Die meistgesetzten Maßnahmen sind die Entwicklung und Beförderung diverser Personengruppen im Unternehmen (36 Prozent), interne wie externe Kampagnen, um die Aufmerksamkeit für Diversität und Inklusion zu steigern (36 Prozent), sowie die Ansprache von diversen Bewerbenden (35 Prozent).

Um langfristig Erfolge zu verzeichnen, braucht es laut der Studie mehr als nur vereinzelte Maßnahmen. Dazu sei es ratsam, Diversität und Inklusion konsequent in die Unternehmensstrategie einzubetten. Im europäischen Vergleich zeigt sich jedoch, dass in Österreich die meisten der befragten Unternehmen über keine solche Strategie verfügen (57 Prozent) und nur acht Prozent Schritte setzen wollen, um dies zu ändern.

Gelebte Diversität

In der öffentlichen Wahrnehmung stoßen Maßnahmen, die nur auf die Sichtbarkeit abzielen, immer wieder auf Kritik. Von "Rainbow-Washing" ist die Rede, wenn Unternehmen den Pride-Monat ausschließlich für ihre Marketingkampagnen nutzen, statt einen echten Beitrag für die Rechte queerer Personen zu leisten. "Die Leute aus der Community merken schon, wer es ernst meint und wer nur am 1. Juni das Firmenlogo in Regenbogenfarben auf Social Media postet", sagt Mirsad Aljusevic, zuständig für Diversity-Communication bei der Erste Group, im Gespräch mit dem STANDARD. Aljusevic betreut in seiner Funktion nicht nur die Sponsorings seines Arbeitgebers, sondern organisiert interne und externe Info-Veranstaltungen und leitet das firmeneigene LGBTQIA+-Netzwerk "Erste Colours".

"Pride ist für uns kein Monat, sondern eine Einstellung", sagt Alexandra Hilgers, Human Resources Director und Vorstandsmitglied bei Takeda in Österreich. Bei dem Pharmakonzern betont man, nicht nur im Pride-Monat Juni positiv auffallen zu wollen. Deshalb setzte man ganzjährig an allen drei österreichischen Forschungs- und Produktionsstandorten auf Info-Veranstaltungen, eigene Pride-Organisationen sowie das gezielte Coaching von Führungskräften.

Das Bundesrechenzentrum betitelt sich in einer aktuellen Aussendung als Pride-Ally, also als Verbündeter queerer Personen. Anlässlich des Pride-Monats werden Mitarbeitenden und Führungskräften verstärkt Informations- und Vernetzungsangebote rund um das Thema Chancengleichheit von LGBTQIA+-Personen geboten. Man wolle damit nicht nur die Zufriedenheit der Beschäftigten und die Attraktivität als Arbeitgeber steigern, sondern auch einen wichtigen Faktor bei der Entwicklung von Anwendungen und Services abdecken.

Diskriminierung im Job

Dass ein Truck bei der Regenbogenparade auch bei der Positionierung als Arbeitgeber eine Rolle spiele, sei kein Geheimnis, sagt Aljusevic. Die Notwendigkeit von Aufklärung und Inklusion ergebe sich aber bei weitem nicht nur aus der Unternehmensperspektive. "Wir sind ein Teil der Gesellschaft und haben das Recht, auch im Job als solcher wahrgenommen und respektiert zu werden", sagt er. Eine Selbstverständlichkeit sei das leider nicht überall.

Das belegt auch eine Befragung der Boston Consulting Group aus dem Vorjahr unter 8800 Personen in 19 Ländern. Die Hälfte der LGBTQIA+-Personen in Österreich hat demnach Diskriminierung am Arbeitsplatz erlebt. Im globalen Schnitt sind es sogar sechs von zehn Personen. In der Regel outen sich queere Personen seltener im Job als im privaten Umfeld. Dabei hätte ein Outing in der Firma viele Vorteile: Mitarbeitende, die sich am Arbeitsplatz outen, haben mehr Selbstvertrauen, äußern ihre Meinung öfter und können mehr Freundschaften im Unternehmen aufbauen – das gilt auch für Personen, die Diskriminierung im Job erfahren haben. Insgesamt führe das zu einer produktiveren Teamarbeit und einer geringeren Mitarbeiterfluktuation.

Auch für Aljusevic ist es wichtig, dass er im Job so sein kann, wie er ist. Auf der Regenbogenparade werden rund 30 Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen aus dem Erste-Colours-Netzwerk vertreten sein. (Anika Dang, 11.6.2022)