Mein Fischverkäufer weiß, dass ich große Fische schätze, und hat mich mit einem Whatsapp-Foto eines prächtigen, acht Kilo schweren Tonetto in den Laden gelockt. "Wie ein kleines Ferkel!", hat er gesagt. "Wir können ihn schon zerschneiden, aber wenn du den ganzen nimmst, zahlst du nur den halben Kilopreis." Soll heißen: 80 Euro für den ganzen Fisch.

Lockfoto.
Foto: Tobias Müller

Nüchtern betrachtet sind acht Kilo Fisch für zweieinhalb Esser ein wenig übertrieben. Aber erstens ist ein Tonetto (Deutsch: kleiner Thun), wie der Name vermuten lässt, ein enger Thunfischverwandter und als solcher köstlich; und zweitens finde ich immer schon, dass das Verkochen ganzer Tiere eine ganz besondere Befriedigung verleiht, egal ob Kaninchen, Schwein oder Fisch.

Gerade der Tonetto bietet sich für einen maritimen Sautanz an. Er ist ein großer Blaufisch und Schwarmfisch, genauso wie der Thun, der seit Jahrtausenden nach dem Fang eingekocht und auf verschiedenste Arten konserviert wird – schlicht, weil er immer schon zu groß und in der Saison zu zahlreich war, um frisch gegessen zu werden.

Das dicke Fleisch wird gesalzen und zu einer Art Rohschinken getrocknet, in Salzwasser gekocht und sott’olio, also unter Öl, konserviert oder, moderner, in Dosen gepackt. Der Bauch wird getrocknet und als eine Art Speck serviert, die Eier zu Bottarga gesalzen, der Milchner gekocht, und aus dem Kopf wird Ragu geschmort.

Ich konnte daher trotz des leicht größenwahnsinnigen Aspekts nicht widerstehen und habe zugeschlagen.

Noch im Laden haben wir den Tonetto grob zerlegt und in vier Kategorien aufgeteilt: die Innereien (Leber, Magen, Milchner), der Kopf samt Flossen und Schulterblättern (fürs Curry), der vordere Teil, in Koteletts geschnitten (zum Grillen), und der Schwanz im Ganzen (Crudo, konfiert, zur späteren Entscheidung). Ich habe mich mit meinen vier Säcken auf den Weg nach Hause gemacht und auf ein paar längere Fischkochtage eingestellt.

Wenn Sie das lesen, dann liegt wahrscheinlich immer noch ein wenig Tonetto in meinem Tiefkühler bzw. in einem Glas unter Öl. Hier sind einige Dinge, die ich mit dem Rest gemacht habe.

Foto: Tobias Müller

Crudo

Wie viele Fische ist auch der Tonetto meiner Meinung nach am allerbesten roh. Die ersten Bissen haben wir entsprechend auch so genossen: ein Stück vom Schwanz, nicht zu klein gewürfelt (so 5x5 mm täte ich schätzen), mit ein wenig Sojasauce, Fischsauce, geriebenem Ingwer, Knoblauch, Zitronensaft, -schale, Zucker und Chili mariniert. Mache ich auch gerne mit Makrele. Ist fantastisch. Koriander wäre noch super gewesen, aber man kann in Süditalien nicht alles haben.

Koteletts vom Grill

Über die nächsten zwei Tage haben wir ziemlich viel Fisch gegrillt. Begonnen hat es mit einem Missgeschick. Ich wollte die prächtig durchzogenen Bauchlappen auf der Hautseite knusprig grillen und habe sie am Rost liegen lassen, während ich mich um den Milchnersalat (siehe unten) gekümmert habe. Das Fett ist auf die Glut getropft, die Flammen sind emporgeschlagen, die Haut war sehr knusprig und sehr verbrannt. Das Fleisch war allerdings noch intakt, und meine Frau hat es liebevoll von der verkohlten Haut geschabt und anderwertig verwendet (siehe unten).

Foto: Tobias Müller

Die prächtigen Steaks sind besser gelungen: Außen knusprig, innen fast roh, waren sie sehr gut und wunderschön anzusehen, eine Art Fiorentiner vom Fisch. Grillreste sind wunderbar im Salat, etwa mit vielen Tomaten, ein wenig Zwiebel, Chili und Fischsauce. Ein richtiger Grillheld wie etwa Schwertfisch ist der Tonetto allerdings meiner Meinung nach nicht – dafür ist er einfach ein wenig zu hitzeempfindlich.

Die Bauchlappen

Der Tonetto ist ein sehr fischiger Fisch und die Bauchlappen ein sehr fettes Teil. Ihr Geschmack ist daher, ungewürzt, ein wenig fordernd, wie ich nach den ersten Bissen nach dem Grillen festgestellt habe. Ich habe sie daher zu einer Pastasauce verarbeitet und die Sauce eher kräftig angelegt: reichlich Knoblauch, etwas Chili, Kapern, gelbe und rote Cocktailtomaten, ein Schuss Sojasauce, Basilikum, ganz ähnlich wie eine Puttanesca, bloß ohne Sardellen. Empfehlung. Ein voller Erfolg.

Die Leber

Ich liebe Süßwasserfischleber, vor allem die vom Wels und von der Aalrutte. Meeresfische sind aber mitunter eine andere Liga und ziemlich geschmacksintensiv. Die Leber des Thun etwa, verrät mir mein schönes süditalienisches Fischbuch, galt lange als Medizin, was ich als Warnhinweis verstehe.

Milchner, Leber, Magen, mehr Milchner (von oben nach unten).
Foto: Tobias Müller

"Mach Pastete draus", hat mir daher Italo empfohlen, der Chefkoch des örtlichen Fischrestaurants, der ebenfalls beim Fischhändler war, als ich meinen Tonetto erstanden habe. Ich habe mich ziemlich genau an seine Anweisungen gehalten: Leber putzen (sie hat eine beachtliche Ader!), Zwiebel und Knoblauch anbraten, Leber zugeben, braten, mit Pernod ablöschen, Rosmarin, Thymian, Wacholderbeeren, Chili und Neugewürz (beides mein Beitrag) zugeben, mit Fischsuppe aufgießen und einköcheln lassen. Nur die empfohlene Kochzeit von 30 Minuten habe ich recht drastisch verkürzt. Mit Fischsauce abschmecken (auch mein Beitrag), passieren, ins Glas füllen, mit etwas Olivenöl bedecken, ein paar Tage später genießen.

Foto: Tobias Müller

Das Ergebnis war eher interessant als gut. Die Konsistenz der Pastete ist zu weich, sie rinnt beinahe, und der Geschmack ist ziemlich intensiv. Das Glas steht nach einer ersten Kostrunde mit Freunden (puristisch auf Brot) noch ziemlich voll im Kühlschrank. Vielleicht gebe ich ihr als Pastasauce eine zweite Chance.

Foto: Tobias Müller

Der Milchner

Fischeier werden in Süditalien gern zu Bottarga verarbeitet, für den Milchner hingegen kannte ich keine traditionelle Zubereitung. Italos Rat: kochen und mit Zitronensaft und Öl als Salat servieren, oder Pasta machen. Ich habe mit dem Salat begonnen. Gekochter Milchner ist ganz köstlich: herrlich cremig und samtig, und ganz erstaunlich ähnlich wie Hirn. Als Beilage war er mir aber doch zu üppig (und er hat überhaupt nicht zu den Tomaten gepasst, auf die ich ihn gelegt habe). Ich habe mich daher auch noch an Pasta versucht, einer Art "Carbonara di Mare" mit Fischsperma statt Ei.

Ich bin immer wieder fasziniert von der optischen, geschmacklichen und konsistenzmäßigen Nähe zwischen Hoden und Hirn – auch beim Milchner ist die Ähnlichkeit verblüffend.
Foto: Tobias Müller

Ich habe den Milchner zuerst wieder eine Minute blanchiert, diesmal im Pastakochwasser. Dann habe ich etwas Knoblauch, Chili und Zitronenschale in Olivenöl gebraten, gemeinsam mit dem Milchner püriert und mit dem Pastakochwasser die Konsistenz eingestellt. Die Sauce habe ich mit etwas Zitronensaft und gehacktem Petersil unter die Pasta gehoben – und es war ein Fest. Vielleicht nicht ganz so gut wie Seeigelpasta, aber genauso cremig-üppig, mit feinem Fischgeschmack. Die Entdeckung des Fischkochmarathons.

Der Magen

Mit großer Freude habe ich beim Luki Nagl immer wieder Fischkutteln gegessen. Auch den Tonettomagen habe ich gekocht, in Streifen geschnitten, gekostet – und in die Tonne geworfen. Unangenehm fischig, keine gute Konsistenz. Ich bin ehrlich gestanden ein wenig ratlos, wie aus ihm etwas werden könnte. Ein Fehlschlag.

Kopf und Flossen

Intensiver, fischiger Geschmack, fettes Fleisch, das ohne Sauce trotzdem ein wenig zum Trockenwerden neigt – Tonetto ist ein idealer Curryfisch (die asiatische Version des Fisch-länger-haltbar-Machens). Kopf und Flossen habe ich daher nach meinem Go To Fischkopfcurry-Rezept zubereitet, und es war wie erwartet wunderbar.

Sott’Olio

"60 Gramm Salz pro Kilo Tonetto", hat mir die Fischverkäuferfrau immer wieder eingeschärft, "mit ein wenig Wasser eine Stunde kochen, dann unter Öl packen und nochmals im Vakuum garen". Mir war das wieder zu viel Garzeit, und außerdem, gestehe ich, widerstrebt es mir, Fisch auszukochen, bevor er ins Öl wandert. Ich habe mir daher erlaubt, den altehrwürdigen Prozess abzukürzen, und habe den rohen Fisch direkt mit Öl übergossen und auf niedrigster Flamme vorsichtig gegart. Das Ergebnis ist köstlich und eine Bereicherung für jeden Tomatensalat, Panzanella oder einfach Pasta.

Foto: Tobias Müller

Der Riesenfisch hat uns insgesamt sicher gute zehn Mahlzeiten beschert, und ziemlich Spaß gemacht hat es außerdem. Mein Rat: Sollte Ihnen ein großer Tonetto unterkommen, schlagen Sie zu! (Tobias Müller, 12.6.2022)

PS: Eine kleine Anmerkung, weil hier im Forum immer wieder gerne moralische Entrüstung losbricht, wenn es um Fisch geht. Meist kaufe ich Muscheln, Meeresinsekten und kleine Fische wie Sardinen. Außerdem versuche ich, möglichst viele verschiedene Arten zu verkochen, auch solche, die gemeinhin als unattraktiv oder mühsam gelten. Beides halte ich für eine gute, meeresschonende Taktik, ganz egal, wo Sie sind und Ihren Fisch kaufen.

Der kleine Thun ist ein großer Raubfisch und sollte als solcher nur selten gegessen werden. Soweit ich das überblicke, ist er im Gegensatz zum Thunfisch nicht gefährdet, weil er das Glück hat, international wenig bekannt zu sein. Ich bin außerdem in der glücklichen Lange, meine Fische direkt beim Fischhändler unseres Dorfes kaufen zu können, dessen Bruder der größte Fischer hier ist und den Großteil seiner Ware fängt. Hin und wieder kommen Fänge von anderen, kleinen Fischern hinzu.

Sie fangen mitunter auch gefährdete Arten wie Schwert- und Thunfisch, mit kleinen Booten und ziemlich rudimentären Methoden. Die Menschen hier haben das viele tausend Jahre getan – auf Levanzo, einer kleinen Insel vor Sizilien, ist eine 5.000 Jahre alte Höhlenmalerei eines Thunfischs erhalten –, ohne den Beständen zu schaden, und ich bin sehr dafür, dass sie es weiter tun. Ich fände es höchst ungerecht, wenn sie den Preis für etwas zahlen müssen, für das sie überhaupt nichts können.