Ludwig und Wiederkehr besiegelten Rot-Pink mit Punschkrapfen.

Foto: Matthias Cremer

Im Kindergartenbereich sorgen Missbrauchsverdachtsfälle für Aufregung. In Pflichtschulen gibt es Ärger, weil diese zu wenige Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter zugeteilt bekommen und vor dem nächsten Schuljahr zittern. Bei der für Einwanderung und Staatsbürgerschaft zuständigen MA 35 ortet die Volksanwaltschaft nach wie vor Chaos rund um lange Verfahrensdauern.

Langweilig ist es Christoph Wiederkehr nicht. Der einzige Neos-Stadtrat in der rot-pinken Stadtregierung unter Michael Ludwig erhält mehr Aufmerksamkeit als so manche SPÖ-Stadträtin oder so mancher SPÖ-Stadtrat. Und das trotz Corona, Inflation und Ukraine-Krieg – und trotz der jüngsten Probleme Ludwigs mit der Wien Energie, die die Preise für Fernwärme demnächst fast verdoppelt.

Wiederkehr hat als polternder Oppositionspolitiker die Bereiche Bildung, Jugend, Integration und Transparenz besonders beackert. Seit der Wien-Wahl 2020 hat der 32-Jährige für diese Ressorts die politische Verantwortung. Trotz hehrer Ziele und Reformen läuft in diesen Bereichen bei weitem nicht alles rund. Der Druck auf den Vizebürgermeister nahm zuletzt jedenfalls deutlich zu. DER STANDARD gibt einen Überblick über die großen Baustellen.

KINDERGARTEN

Die jüngsten Verdachtsfälle von Missbrauch an Kindergärten haben ein Strukturproblem offenbart. So wurden Eltern eines Standorts in Penzing erst mehr als ein Jahr später vom Missbrauchsverdacht gegen einen Pädagogen informiert. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft in vier Fällen.

Der Betreuer wurde nach Bekanntwerden der Vorwürfe im Vorjahr angezeigt und vom Dienst mit Kindern abgezogen. Wiederkehr kritisierte aber, dass die anderen Eltern am Standort viel zu spät informiert wurden. Zuletzt wurde ein weiteres mögliches Fehlverhalten eines ehemaligen Betreuers in Penzing bekannt: Die Behörde ermittelt wegen Verdachts auf Freiheitsentziehung. Es gilt in allen Fällen die Unschuldsvermutung.

Die personellen Konsequenzen sind umfangreich. Zunächst wurden die Leitung des Kindergartens sowie die Regionalstellenleitung ausgewechselt. Am Dienstag gab Wiederkehr bekannt, dass auch die Chefin der Wiener Kindergärten, Daniela Cochlar, abgesetzt werden soll. Inhaltlich muss nun Wiederkehr liefern: Er kündigte ein neues Kinderschutzkonzept an, das ab Herbst in allen Kindergärten eingeführt wird. Im September wird auch das Personal der Assistenzkräfte im Kindergarten verdoppelt. Das kostet die Stadt 13 Millionen Euro.

SCHULE

Die Umstellung der Lehrstundenverteilung hat Wiederkehr im Vorjahr Kritik eingebracht. Eilig wurde nach einem Aufschrei in Schulen nachgebessert. Vor dem neuen Schuljahr fordert Wiederkehr 1000 zusätzliche Lehrerplanstellen vom Bund – laut seinem Büro bisher vergeblich.

So wackeln auch die Corona-Förderstunden: Das Modell ist ausgelaufen, noch ist laut Bildungsdirektion nicht klar, wie es weitergeht. Allein aus diesem Topf gab es 400 Planstellen für Wien. Wien erhält zwar nach aktuellem Stand insgesamt 12.500 Planstellen zugeteilt, das Plus gegenüber dem Vorjahr basiert aber auf dem Schülerwachstum – auch durch Geflüchtete aus der Ukraine.

Als problematisch bezeichnet Wiederkehr, dass auch viele Schulkinder Deutschdefizite aufweisen, die schon in Österreich geboren sind. Hier müsse die Sprachförderung weiter ausgebaut werden.

MA 35

Die Einwanderungsbehörde ist seit Jahren eine Baustelle. Diese hat Wiederkehr geerbt. Bei der Volksanwaltschaft betrafen auch 2021 wieder zahlreiche Beschwerden die MA 35 – etwa wegen langer Verfahrensdauern.

DER STANDARD

Erste Reformen wurden von Wiederkehr umgesetzt: Das neue Callcenter hat die telefonische Erreichbarkeit der Behörde erhöht. Bei anderen Neuerungen waren aber im Vorjahr noch keine Verbesserungen messbar, wie die Volksanwaltschaft konstatierte. Die FPÖ ist für einen Misstrauensantrag gegen Wiederkehr, die ÖVP prüft noch.

TRANSPARENZ

Laut Transparency International Austria verteidigte Wien Platz eins der transparentesten Gemeinde Österreichs. Unter Wiederkehr wurde auch eine Whistleblower-Plattform (für das anonyme Melden möglicher Missstände) eingerichtet sowie ein Kommunikationsjahresbericht veröffentlicht: 2021 gab die Stadt 31,8 Millionen Euro für Werbekampagnen aus.

Nur: Als Werbebudget des Presse- und Informationsdienstes waren 20,3 Millionen genehmigt, den Rest gaben die Ressorts aus. Die Neos kündigten freilich eine Reduktion des Wiener Werbebudgets an. (David Krutzler, 11.6.2022)