Oskar Barnacks 0-Serie ist die teuerste Kamera der Welt.

Foto: Leica Camera Classics

Die Stimmung im Saal ist angespannt, als das Los Nummer fünf endlich aufgerufen wird. Selbst das leiseste Getuschel in den hinteren Reihen verstummt plötzlich, alle Blicke verharren gebannt auf dem Auktionär. Zum Kauf steht die persönliche Leica 0-Serie von Oskar Barnack, Erfinder der Kleinbildkamera und Begründer der modernen Fotografie. Ein Unikat, das mindestens eine Million Euro einbringen soll. Geschätzter Wert: zwei bis drei Millionen.

In Wirklichkeit soll es an diesem Samstag in Wetzlar – die Leitz Photographica Auction feiert 40. Jubiläum – aber anders kommen. Aus einer wurden schnell zwei, dann vier und acht Millionen, bevor schlussendlich das Höchstgebot von zwölf Millionen Euro ausgerufen wurde. Mehrmals hörte man während der Versteigerung, wie einzelne Zuschauerinnen und Zuschauer verblüfft um Luft rangen, während sich andere das Lachen nicht verkneifen konnten. Niemand scheint einen so hohen Betrag erwartet zu haben.

Der glückliche Gewinner bleibt an diesem Tag anonym. Sein finales Gebot gab er telefonisch ab. Niemand weiß, wer er ist oder aus welchem Land er stammen könnte. Klar ist nur: Seine Endrechnung samt Käuferpremium beträgt 14,4 Millionen Euro – und stellt somit einen neuen Weltrekord auf.

Ein Unikat

Ganz besonders ist diese Leica 0-Serie aus mehreren Gründen. Oskar Barnack ließ 1923 nur 23 Stück von ihnen herstellen, zwei Jahre später ging schon die Leica I in Massenproduktion. Die meisten Prototypen wurden an Fotografinnen und Fotografen ausgeliefert, einen gab er Ernst Leitz II, die letzte behielt er für sich. Bis 1930 soll er die am Samstag versteigerte Kamera auch privat genutzt haben, bevor er sie seinem Sohn vererbte.

Von großer Bedeutung dürfte für Sammlerinnen und Sammler auch die optische Unverwechselbarkeit der Kamera sein. In den oberseitig angebrachten Fernrohrsucher ließ Barnack seinen Namen eingravieren, während der Objektivdeckel mit den Initialen "O.B." geschmückt wurde. Es handelt sich um nicht weniger als ein Stück Fotografiegeschichte, das auch in den kommenden Jahren an Wert gewinnen dürfte.

Die besagte 0-Serie am Tag vor der Versteigerung.
Foto: STANDARD / Mickey Manakas

Der bisherige Rekord für die teuerste Kamera wird mit den 14,4 Millionen Euro bei weitem gebrochen. Spitzenreiter war auch bisher eine 0-Serie (Nr. 122), die 2018 für 2,4 Millionen Euro (inklusive Käuferpremium) den Besitzer wechselte.

Urvater der modernen Fotografie

Bedenkt man, dass die 0-Serie den Grundstein für die erste in Serie produzierte Kleinbildkamera legte, war das große Interesse betuchter Sammler abzusehen. Damals hingegen war der Erfolg eines solchen Apparats hingegen keinesfalls garantiert. Die Gesellschaft war an großformatige Balgenkameras gewöhnt, für Portraitaufnahmen musste man minutenlang stillsitzen. Nur wenige konnten sich anfangs wirklich vorstellen, dass der kleine Apparat aus Mittelhessen qualitativ hochwertige Bilder liefert. Auch innerhalb des Unternehmens gab es Skepsis, weshalb Ernst Leitz II 1924 nach langen Beratungen mit seinen engsten Vertrauten eine Exekutiventscheidung traf. Übermittelt ist von damals die berühmte Aussage: "Ich entscheide hiermit, es wird riskiert." Ein Satz, dessen Folgen die Fotografie revolutionieren sollte.

Bis heute kann man Barnacks weitreichenden Einfluss erkennen. Analoger Kleinbildfilm fasst noch immer 36 Bilder, digitale Vollformatsensoren messen 36 x 24 Millimeter – und sind somit genauso groß wie die belichtete Fläche eines Filmstreifens.

Dabei ist es nicht selbstverständlich, dass noch immer zahlreiche Menschen analog fotografieren. Mit dem Aufstieg der Digitalkamera zeichnete sich ein schwindendes Interesse an Filmkameras ab. Hersteller wie Nikon und Canon begannen rasch mit der Weiterentwicklung moderner Technologien und gelten bis heute als Vorreiter der Branche.

Zurück zum Ursprung

Seit einigen Jahren scheinen sich allerdings sehr viele Fotografie-Enthusiasten auf die Suche nach dem Ursprung des Mediums zu begeben. Gerade junge Menschen, teilweise aufgewachsen mit Smartphones und Instagram, greifen immer häufiger zu analogen Kameras. Als Motivation nennen sie häufig die "Entschleunigung".

Die Versteigerung fand bei Leica in Wetzlar statt.
Foto: STANDARD / Mickey Manakas

Das zunehmende Interesse spiegelt sich auch in den Preisen wider. Kameras fast aller Hersteller kosten mittlerweile deutlich mehr als noch vor fünf oder zehn Jahren. Besonders beliebt: Die Leica M. Selbst der Wert einer in Serie produzierten M6 hat sich innerhalb der letzten Jahre verdoppelt. Unter 3.000 Euro braucht man mit der Suche kaum noch beginnen, vor allem im Fachhandel.

Ähnliches gilt für analoge Fotofilme. Die Herstellung ist kompliziert und die Rohstoffe genauso knapp wie kompetentes Personal. Jahr für Jahr erhöht Kodak seine Preise, Anfang 2022 wurden saftige 20 Prozent aufgeschlagen. Für eine Rolle Portra 400 im Kleinbildformat werden bis zu 14 Euro fällig, ähnlich sieht es im Mittelformat aus.

Bei Leica Camera Classics glaubt man dennoch nicht, dass der Aufwärtstrend in Zukunft abbrechen wird. Im Gegenteil. Das Kundeninteresse steige konstant an und man habe eher ein Problem, die Nachfrage zu stillen, sagt Geschäftsführer Alexander Sedlak gegenüber dem STANDARD. Analoge Fotografie könnte also eine glänzende Zukunft vor sich – und der neue Eigner von Barnacks 0-Serie eine lukrative Wertanlage gefunden haben. (Mickey Manakas, 13.6.2022)