Das Burgerbrot ist labbrig, das Fleischlaberl well done, die Garnitur frisch, die Sauce aus der Tube und der Käse, na ja, Käse halt. Es ist wie immer bei … Aber halt! Wir sind ja gar nicht bei McDonald's, sondern beim Nachfolger. Das neue Logo ist ein gelb-oranger Burger und zwei gelbe Striche, die zwei Pommes darstellen sollen. Nicht mehr McDonald's, die Kette heißt jetzt "Wkusno i totschka", übersetzt: "Lecker und Punkt".

Die Neueröffnung von "Lecker und Punkt" am Moskauer Puschkin-Platz ist ein Medienereignis. Viele Neugierige sind da, Politiker und Journalisten. Es sei gelungen, das übliche Serviceniveau und eine Speisekarte mit im Inland hergestellten Produkten beizubehalten, sagt Sergej Sobjanin, Moskaus Bürgermeister.

Erster Testbissen.
Foto: Jo Angerer

Ein paar Kilometer weiter, in der Filiale am Kiewer Bahnhof, geht es lockerer zu. Das Personal verteilt Luftballons, einige Dutzend Menschen sind gekommen und warten darauf, dass das Burgerlokal um 11 Uhr die Türen öffnet. "Wir freuen uns sehr, dass das Restaurant wieder aufmacht", sagt ein junger Mann mit bunt gefärbten Haaren. Er ist mit seiner Freundin hier. "Ich stamme aus Kaluga. Wenn ich nach Moskau komme, war dieser Ort immer ein Treffpunkt für Freunde. Ich liebe diesen Ort. Wir hoffen, dass uns das Menü gefallen wird und meine Lieblingsgerichte geblieben sind. Wir haben bei McDonald's immer das Eis gemocht."

Kein Cola mehr

Die Speisekarte ist weitgehend geblieben: Burger, Pommes, Salat und auch das Eis. Nur einige Namen sind neu. Der Filet-o-Fish heißt jetzt "Fish Burger", der Hamburger Royal wird zum "Grand" und der "Double Royal" zum "Double Grand". Nur eines gibt es nicht mehr: westliches Coca-Cola und Sprite. Stattdessen Eistee und Wasser. Das bemängeln viele.

Einiges los.
Foto: Jo Angerer

Der neue McDonald's: Für die Kunden soll sich so wenig wie möglich ändern. Was auch kein Wunder ist. Die Lieferanten aus der einheimischen Landwirtschaft sind die gleichen geblieben. Die Restaurants sind die gleichen, die Fritteusen, das Personal. "Ich finde es fantastisch, dass wir wieder aufgemacht haben", sagt Anastasia hinter dem Tresen und freut sich, dass ihr Job geblieben ist.

Das "M" ging freiwillig, die Lokale bleiben.
Foto: APA/AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV

Nach mehr als 30 Jahren hatte McDonald's sein Russland-Geschäft aufgegeben – als Reaktion auf den Krieg. McDonald's könne "das unnötige menschliche Leid, das sich in der
Ukraine zuträgt, nicht ignorieren", so die Begründung. Wie mehrere andere internationale Unternehmen zog sich der Konzern damit endgültig aus dem flächenmäßig größten Land der Erde zurück, wo er mit 62.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zuletzt zu den wichtigsten Arbeitgebern zählte. Die vielfach prekären Jobs werden wohl zunächst bleiben. Nur verdient jetzt nicht mehr der US-Konzern, sondern ein russischer Unternehmer. Die Markensymbole von McDonald's darf der neue Besitzer nicht weiternutzen.

Nachdem McDonald’s seine Lokale in Russland Mitte Mai aufgrund des Ukraine-Kriegs geschlossen hat, hat der russische Geschäftsmann Alexander Gowor die Filialen gekauft und sie unter dem Namen "Lecker und Punkt" wiedereröffnet
DER STANDARD

825 Standorte übernommen

Der neue Eigentümer ist Alexander Gowor, er betrieb zuletzt bereits 25 McDonald's-Filialen in Sibirien. Nun kaufte der Unternehmer zu einem nicht bekannten Preis die landesweit 825 weiteren Standorte ebenfalls auf – und will sie laut eigener Aussage innerhalb von zwei Monaten alle wiedereröffnen. McDonald's zufolge hat sich der neue Besitzer, der in der Bergbau- und Ölbranche reich wurde, vertraglich dazu verpflichtet, die bisherigen Mitarbeiter mindestens zwei Jahre lang zu denselben Konditionen weiterzubeschäftigen.

Gourmet-Erlebnisse sind die Burger wohl immer noch nicht, aber zumindest nah dran an dem, was es auch früher gab, schildern erste Testesser.
Foto: APA/AFP/KIRILL KUDRYAVTSEV

Das alles interessiert die Gäste in der Filiale am Bahnhof nur wenig. Viel wichtiger ist die Frage: Schmeckt es? Das junge Paar aus Kaluga sagt: "Ja, alles schmeckt wie früher. Aber es ist schade, dass es keine Limonade mehr gibt. Ich habe immer Sprite getrunken. Aber das Eis ist großartig." Zwei Teenager ergänzen: "Das ist unglaublich. Darauf haben wir uns sehr gefreut. Wir haben diesen Ort sehr vermisst. Endlich können wir wieder unsere Lieblingsburger mit Sesam essen." Der Familienvater am Nachbartisch nickt, er ist mit Frau und Kindern gekommen. "Ja, wie damals, alles ist sehr lecker!"

In Russland hat McDonald's gleichsam eine historische Bedeutung. Und so ist es kein Zufall, dass die neue Restaurantkette ausgerechnet am 12. Juni aufsperrt, dem russischen Nationalfeiertag. Die Eröffnung der ersten Filiale am Moskauer Puschkin-Platz am 31. Jänner 1990 war ein in der Sowjetunion nie da gewesenes Ereignis. Stundenlang standen die Menschen an, von 30.000 war die Rede, die Warteschlange war einige hundert Meter lang, berittene Polizisten sorgten mit Schlagstöcken dafür, dass das Ganze nicht aus dem Ruder lief.

Neue Marke, vieles in gewohnter "Qualität", und auch die Mitarbeiter sollen bleiben.
Foto: Kirill KUDRYAVTSEV / AFP

Einige Besucherinnen kamen sogar im Abendkleid, erinnert sich eine Zeitzeugin. Von wegen Fastfood! Es war ungeheurer Luxus. Alles, was auf der Speisekarte stand, gab es tatsächlich. Damals, in der Sowjetunion, ein Novum. Neu auch das Lächeln im Gesicht, das das frisch eingestellte Personal extra üben musste, so wollte es der Konzern. Geschult wurde in drei Disziplinen: lächeln, den Kunden ins Gesicht sehen und Danke sagen.

Oben: 1990. Unten: 2022.
Foto: REUTERS/Corbis/Evgenia Novozhenina

Die Eröffnung des ersten McDonald's 1990, sie war ein Symbol für das beginnende Tauwetter im Ost-West-Verhältnis. Und die Neueröffnung, sie wird wohl zum Symbol werden für die jetzt beginnende Eiszeit. (Jo Angerer aus Moskau, 12.6.2022)