Judenfeindliche Stuckaturen im 1608 errichteten Fellnerhof in Krems.

Foto: Markus Sulzbacher

Als "heftig antijüdisch" beschreibt Birgit Wiedl vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs die Darstellung, die zufällig im Jahr 2018 mitten in Krems entdeckt wurde. In einem barocken Prachtbau, dem 1608 errichteten Fellnerhof, ist auf einer Wand im Innenhof eine "jüdische Fratze" zu sehen. Die Stuckatur ist Teil eines Wesens mit einem Vogelkopf und dem Kopf eines Mannes, der aussieht, als käme er aus einem Lehrbuch antisemitischer Darstellungen: Hakennase, Bart und Wulstlippen. Eindeutiger geht es nicht, so werden Juden seit Jahrhunderten von Judenhassern dargestellt.

Nicht so eindeutig erkennbar

Bei anderen Darstellungen im Fellnerhof ist deren antijüdische Polemik hingegen nicht so eindeutig erkennbar. Zwar finden sich an der Wand noch weitere Gesichter, mit einer Hakennase oder mit einem Bart, wie ihn jüdische Männer tragen. Es fehlen aber "die typischen antijüdischen, karikaturhaften Züge", erklärt Wiedl. Ein Verdacht bleibt jedoch.

Der Fellnerhof.

Nach der Entdeckung der Stuckaturen wurde eine der Darstellungen in einem Artikel in den "Niederösterreichischen Nachrichten" als "Judensau" bezeichnet. Sie zeigt ein vierbeiniges Wesen mit bärtigem Kopf, Zitzen und einem Gesicht am Ende seines Schwanzes. "Eine Judensau ist hier nicht wirklich zu erkennen, die stehende Figur mit den Zitzen hat viel mehr Ähnlichkeit mit den zeittypischen Katzenhybriddarstellungen", erklärt Wiedl, "auch der Kopf im Schwanz der stehenden Figur ist nicht wirklich als Jude identifizierbar, trotz Hakennase."

Die Katzenhybriddarstellung in Krems.
Foto: Markus Sulzbacher

Eine "Judensau" ist ein im Mittelalter oft gefertigtes Bildmotiv, das Juden mit Schweinen zeigt, die im Judentum als unrein gelten. Mal reiten sie auf den Tieren, mal riechen sie ihnen am Anus, trinken ihren Urin oder saugen an den Zitzen. Die Darstellungen sollen bei ihren christlichen Betrachtern Ekel hervorrufen und zugleich Juden und Jüdinnen demütigen. Seit dem 13. Jahrhundert gibt es solche Abbildungen in mittelalterlichen oder barocken Kirchen oder Gebäuden. Im deutschen Sprachraum sind dutzende derartiger Darstellungen zu finden, etwa am Kölner Dom oder in Wiener Neustadt – wo die Skulptur mittlerweile jedoch im Stadtmuseum untergebracht wurde.

"An die Judensau, Wien"

Die Darstellungen sind ein Grund dafür, warum "Judensau" eine der geläufigsten antisemitischen Beschimpfungen in Österreich ist. Simon Wiesenthal bekam einmal einen Brief von der Post zugestellt, der lediglich mit "An die Judensau, Wien" adressiert war. Wiesenthal wollte daraufhin vom zuständigen Postminister wissen, warum gerade er diesen Brief bekommen habe. Es ist aber nur eine von zahllosen Geschichten rund um das Schimpfwort.

Abbildungen gingen als "Fabelwesen" durch

In Krems gingen die Abbildungen über 400 Jahre als "Fabelwesen" durch, sagt Historiker Robert Streibel, der über die Geschichte der Juden und Jüdinnen in Krems forscht. In der Stadt an der Donau gab es bereits im 13. Jahrhundert eine jüdische Gemeinde — im Jahr 1293 kam es nach einem Ritualmordvorwurf zu ersten Verfolgungen. Es folgten Pogrome und Vertreibungen. Die Nationalsozialisten deportierten und ermordeten 130 Mitglieder der im 19. Jahrhundert gegründeten neuzeitlichen jüdischen Gemeinde. An deren Schicksal will die Stadt Krems nun mit einem zeitgeschichtlichen Themenweg erinnern, an dessen Umsetzung gerade gearbeitet wird.

"Zusätzlich wird es aber auch weiter zurückreichende Aspekte geben, wie etwa die Darstellung im Fellnerhof", sagt Gregor Kremser, der Leiter des zuständigen Kulturamts in Krems. Der Fellnerhof, in dem eine Volkshochschule untergebracht ist, befindet sich in Privatbesitz, was die Aufstellung einer erklärenden Tafel erschwert.

Noch kein Thema für Historikerinnen- und Historikerbeirat

Kremser erwähnt auch, dass seit zwei Jahren in der Stadt ein Historikerinnen- und Historikerbeirat tätig ist, der sich mit Fragestellungen zu Straßennamen, Denkmälern sowie Ehrengräbern beschäftigt und etwa die Umbenennung der Maria-Gregg-Gasse anregte, da die "Heimatdichterin" nicht nur antisemitische und rassistische Texte verfasste, sondern auch eine Verehrerin Adolf Hitlers war. Der Stadtrat folgte der Anregung des Beirats und widmete die Gasse der Ordensfrau und Reformpädagogin Margarete Schörl – gegen die Stimmen der ÖVP und FPÖ. Zum Fellnerhof und den antisemitischen Darstellungen wurde bislang jedoch keine Anfrage eingebracht. (Markus Sulzbacher, 14.6.2022)