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Aus Angst vor Neuem bleibt viel kreatives Potenzial ungenutzt. Diese Hindernisse gelte es aus dem Weg zu räumen, sagt der Chefinnovator von Google, Frederik G. Pferdt.

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"Kreativität ist zu einem Prozent Inspiration und zu 99 Prozent Transpiration": Diese Feststellung von Thomas Alva Edison, US-amerikanischer Erfinder, begnadeter Vermarkter (unter anderem der Glühbirne), Elektroingenieur und Unternehmer aus dem späten 19. Jahrhundert, mag sich mittlerweile etwas anders darstellen. Fraglos ist Kreativität aber notwendiger denn je. Für Frederik Pferdt, seines Zeichens Chief Innovator Evangelist beim IT-Konzern Google aus Kalifornien, ist sie sogar "der Schlüssel, um die mitunter unlösbar scheinenden Probleme der Jetztzeit zu lösen".

Der aus Ravensburg in Oberschwaben stammende Pferdt ist seit 2011 bei Google beziehungsweise dem Konstrukt darüber, Alphabet, damit beschäftigt, Innovation zu ermöglichen und die Start-up-Atmosphäre des Internetgiganten beizubehalten. Wie das auch bei anderen Unternehmen funktionieren könnte, klingt vergleichsweise einfach, der Teufel steckt aber im Detail. Es gelte, Hindernisse aus dem Weg zu räumen, sagte Pferdt bei dem kürzlich zu Ende gegangenen Fifteen Seconds Festival in Graz, einem in achter Auflage stattgefundenen Vernetzungsevent im Spannungsdreieck von Kreativität, Innovation und Wirtschaft. Die Hindernisse, die es in erster Linie aus dem Weg zu räumen gelte, steckten in jedem und jeder Einzelnen von uns.

Aus dem Status-quo-Bias ausbrechen

Pferdt, der an der Universität Stanford Design Thinking unterrichtet, sieht im sogenannten Status-quo-Bias, an dem alle leiden würden, einen der größten Innovationshemmer. "Wir nutzen den jetzigen Zeitpunkt als Referenzpunkt. Alles, was danach kommt, wird erst einmal als schlecht gesehen", erzählte Pferdt von seinen Erfahrungen. Er unterstütze Menschen dabei, aus diesem Bias auszubrechen. Es komme darauf an, die innere Einstellung, das sogenannte Mindset, zu verändern, eine Leidenschaft zu entwickeln, etwas Neues auszuprobieren. Oder aber ein Experiment zu wagen, eventuell auch eine neue Technologie zu testen. Es gehe darum, aus einem "Ja, aber" ein "Ja, und" zu machen. Und das im Sinne von "Ja, und so machen wir mithilfe der Idee ein Produkt oder einen Prozess größer, schneller, besser".

Das sei insbesondere für Führungskräfte eine wichtige Übung. Denn wenn der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin mit einer Idee zur Führungsperson kommt und diese sofort fünf Gegenargumente parat hat, wird diese Person ihre Vorschläge künftig wohl für sich behalten.

Frederik G. Pferdt, Chief Innovator Evangelist bei Google.
Foto: Weinberg-Clark-Photography

Um innovativ zu sein, brauche der Mensch Vertrauen in die eigenen Ideen. So etwas entwickle sich am besten in einem Umfeld, das auf Neues positiv und neugierig reagiert. So eine Atmosphäre zu schaffen sei eine äußerst spannende Aufgabe, sagte Pferdt, der unter anderem Googles "The Garage" aufgebaut hat und auch Schöpfer des ersten Innovationslabors ist, das von hunderten Teams pro Jahr genutzt wird.

Dabei sei es auch darum gegangen, die Innovationsfähigkeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu entwickeln und zu trainieren.

Seine Leidenschaft sei schon immer gewesen, das Humanpotenzial freizusetzen. Dazu zähle auch Kreativität. Inzwischen berät Pferdt viele Unternehmen, Start-ups, aber auch Schulen und internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen.

Meditation zur Selbstfindung

Wenn es um die richtige Einstellung geht, ist der Chefinnovator von Google auch bei sich selbst innovativ. Vergangenes Jahr hat sich Pferdt zur Meditation in die Wüste zurückgezogen. Zehn Tage in Stille und Isolation, 100 Stunden Meditation – gerade für jemanden, der vor Ideen sprüht wie er und sich von diesen treiben lässt, sei das "eine enorme Herausforderung" gewesen, sagte Pferdt. "Kein Handy, keine Ansprache, nichts." Googles Chefinnovator experimentiert auch an sich selbst. "Ich probiere unheimlich gerne Dinge aus, versuche, gegenüber allem offen zu sein, immer wieder meine Routinen zu verlassen", sagte er.

Zentraler Schlüssel zur Innovation ist nach Überzeugung von Pferdt die innere Einstellung. Es gehe darum zu verstehen: "Was ist unser Mindset, und wie kann das Mindset auch verändert werden?" Pferdt definiert Mindset als innere Haltung "gegenüber allem, was auf uns zukommt". Wie denken wir, wenn etwas Neues auf uns zukommt? Was ist unsere innere Haltung, wenn sich etwas verändert? Wenn ein Problem auftaucht oder sich eine Chance auftut? Es gehe auch um die Überwindung des inneren Schweinehunds.

Innovationsmentalität aufbauen

Dieses Mindset zu verstehen, zu entwickeln, eine Innovationsmentalität aufzubauen, all dies hat sich Pferdt zur Aufgabe gesetzt. Daran hat er über die vergangenen Jahre allein innerhalb von Google mit mehreren zehntausend Beschäftigten gearbeitet. Innovation sei immer etwas, das der Mensch gestalte. Es sei nicht nur eine Technologie, ein Produkt oder eine Dienstleistung, sondern immer etwas, das von Menschen entwickelt wird. Die Aufgabe bestehe auch darin, aus Problemen Chancen zu entwickeln und etwas Neues zu erreichen. Pferdt ist überzeugt: "Kreativität ist in uns allen. Wir können alle innovativ denken und handeln." (Günther Strobl, 14.6.2022)