Fest steht bereits, dass Macron einen neuen Hauptgegner im Parlament hat.

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Paris – Präsident Emmanuel Macron muss nach der ersten Runde der Parlamentswahl in Frankreich um die absolute Mehrheit seines Bündnisses Ensemble fürchten. Macrons Partei kommt mit ihren Verbündeten nach offiziellen Angaben aus der Nacht auf Montag auf 25,75 Prozent der Stimmen. Die links-grüne Allianz Nupes von Jean-Luc Mélenchon lag nahezu gleichauf bei 25,66 Prozent – das sind nur 21.442 Stimmen weniger.

Die genaue Sitzverteilung – also wer stärkste Kraft wird und die Regierung stellt – wird sich erst in der Stichwahl am kommenden Sonntag entscheiden. Das französische Mehrheitswahlrecht begünstigt bei der Sitzverteilung das stärkste Wahlbündnis.

Prognosen des Instituts Elabe deuten bei der Sitzverteilung für die zweite Wahlrunde eine Mehrheit für das Lager des Präsidenten an. Unklar bleibt jedoch, ob eine absolute Mehrheit mit mindestens 289 Sitzen erreicht wird.

Sollte Macrons Bündnis diese verfehlen, wäre dies ein schwerer Rückschlag für den Präsidenten. Er müsste eine größere Allianz bilden, die seinen Handlungsspielraum einschränken würde.

Niedrige Wahlbeteiligung

Die Wahlbeteiligung war historisch niedrig für eine erste Runde der Parlamentswahl und lag unter 50 Prozent. Macrons Premierministerin Elisabeth Borne rief mit Blick auf die Stichwahl am kommenden Sonntag zu einer "Woche der Mobilisierung" auf. Ziel sei es, "eine starke und klare Mehrheit zu bekommen". Borne und 14 weitere Regierungsmitglieder sind selbst bei der Parlamentswahl angetreten und riskieren ihren Regierungsposten, wenn sie nicht gewinnen. Borne liegt nach eigenen Angaben in ihrem Wahlkreis vorn.

"Zum ersten Mal erreicht ein wiedergewählter Präsident bei der Parlamentswahl nicht die Mehrheit", sagte hingegen Mélenchon. "Die Präsidentenpartei ist geschlagen." Der 70-Jährige hatte sich zuvor als nächster Premierminister ins Gespräch gebracht, war aber nicht mehr in seinem bisherigen Wahlkreis in Marseille angetreten.

Le Pen will eigene Fraktion bilden

Die Rechtspopulistin Marine Le Pen zeigte sich optimistisch, dass ihre Partei Rassemblement National eine eigene Fraktion bilden könne. Dazu sind 15 Abgeordnete nötig, ihre Partei kommt nach derzeitigen Schätzungen auf zehn bis 30 Sitze. Le Pen zog in ihrem Wahlkreis in Hénin-Beaumont in die Stichwahl ein.

Die neue Umweltministerin Amélie de Montchalin liegt in ihrem Wahlkreis, einem Pariser Vorort, deutlich hinter dem Kandidaten des Linksbündnisses. Der rechtsextreme Ex-Präsidentschaftskandidat Éric Zemmour, der in Saint-Tropez angetreten war, ist bereits in der ersten Runde ausgeschieden.

Schwere Zeiten für frisch wiedergewählten Macron

Für Macron wird es in der zweiten Amtszeit voraussichtlich schwieriger, seine Reformen durchzusetzen. Insbesondere die Pensionsreform ist umstritten. Während Macron das Pensionsantrittsalter von 62 auf 64 oder 65 Jahre anheben will, fordert Mélenchon vehement die Pension mit 60.

Fest steht bereits, dass Macron einen neuen Hauptgegner im Parlament hat. An die Stelle der konservativen Republikaner wird das Linksbündnis Nupes treten. Die Republikaner stehen vor einer Niederlage, sie kommen nur auf 33 bis 80 Sitze.

Die Nationalversammlung in Frankreich hat eine geringere Bedeutung als der Nationalrat in Österreich. Das liegt an der starken Rolle des Präsidenten, der sich nicht vor dem Parlament verantworten muss. (red, Reuters, APA, 13.6.2022)