Die Weltmeisterschaft entgleitet Charles Leclerc

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Baku – Die Verlässlichkeit der Unzuverlässigkeit verschlug Charles Leclerc beinahe die Sprache. Entmutigt suchte der Formel-1-Star nach Erklärungen für das jüngste Ferrari-Fiasko, ratlos schüttelte er den Kopf und erregte in der Tragik des Moments fast ein wenig Mitleid – nur das von Max Verstappen durfte er nicht erwarten.

"Shit happens", kommentierte der siegreiche Weltmeister das Aus seines größten WM-Rivalen beim Großen Preis von Aserbaidschan lapidar: "Das ist Racing." Ein Ausfall, in Baku bei Leclerc verursacht durch einen Motorschaden, gehöre nun mal dazu.

Das Problem für Leclerc: Pleiten, Pech und Pannen sind längst die Regel geworden. Baku war nur ein weiterer Punkt auf der länger werdenden Liste der Ferrari-Fehlschläge – wenngleich er einen neuen Tiefpunkt markierte: Zum ersten Mal seit Australien 2009 fielen beide Ferrari wegen eines technischen Defekts aus.

Leclerc: "Es tut wirklich weh"

Italiens Presse ging hart mit der Scuderia ins Gericht. "Maranello, wir haben ein Problem!", kommentierte Tuttosport. Die Gazzetta dello Sport schrieb von einem "schweren Schlag" für Leclercs WM-Hoffnungen und La Stampa meinte in einer vergleichbaren Wertung: "Für Leclerc steht der WM-Titel auf dem Spiel."

34 Punkte beträgt der Rückstand des Monegassen inzwischen auf Red-Bull-Titelverteidiger Verstappen. Vor zwei Monaten, nachdem Leclerc in Australien den bislang letzten Sieg der Roten eingefahren hatte, lag er 46 Zähler vor (!) dem Niederländer.

"Es tut wirklich weh", sagte Leclerc, der in der 21. Runde in Führung liegend ausschied: "Das darf uns wirklich nicht mehr passieren. Zu Beginn der Saison hatten wir keine großen Probleme und wir haben auch nicht viel verändert. Das ist schwer zu verstehen und sehr enttäuschend."

Binotto: "Zweifelsohne ein schlechter Tag"

Das Paradox: Ferrari hat den wohl stärksten Motor im Feld. Im Qualifying ist Leclerc im F1-75 fast nicht zu schlagen. In Aserbaidschan stand der 24-Jährige in der laufenden Saison zum sechsten Mal auf der Pole Position – im achten WM-Lauf. Das Podium erreichte er in den letzten fünf Rennen aufgrund streikender Technik oder Strategiefehler aber nur einmal.

Es ist eine indiskutable Bilanz. "Zweifelsohne war es ein schlechter Tag", sagte Teamchef Mattia Binotto, der auch den Defekt beim zweiten Ferrari-Piloten Carlos Sainz analysieren muss: "Im Vergleich zum letzten Jahr haben wir große Fortschritte in Bezug auf die Leistung gemacht, aber es gibt definitiv noch Raum für Verbesserungen in Bezug auf die Zuverlässigkeit."

Auffällig war in Baku zudem, dass die mit Ferrari-Motoren versorgten Teams Haas in Kevin Magnussen und Alfa Romeo in Zhou Guanyu ebenfalls mit Defekten ausschieden. Die Fehlersuche in Maranello muss schnell zum Erfolg führen. Viel Zeit bleibt schließlich nicht. Schon am kommenden Sonntag (20.00 Uhr MESZ/Sky) steht beim Großen Preis von Kanada in Montreal das nächste Rennen an. "Wir werden versuchen, dies wiedergutzumachen. Es gibt auf jeden Fall noch einiges zu tun", sagte Binotto. (sid, 13.6.2022)