Fünf Monate sind seit dem Prozessauftakt im Jänner vergangen, Terminstress bei Zeugen führte zu den Verzögerungen im vom Bundeskriminalamtschef gegen Florian Scheuba (Bild) angestrengten Verfahren.

Foto: moe

Wien – Bundeskriminalamtschef Andreas Holzer sei aus gesundheitlichen Gründen verhindert, am Montagnachmittag nach fast fünf Monaten das Ende des von ihm angestrengten Medienprozesses gegen STANDARD-Kolumnisten Florian Scheuba und den STANDARD im Gerichtssaal selbst zu erleben, entschuldigt ihn sein Rechtsvertreter Peter Zöchbauer bei Richter Stefan Romstorfer. Der Spitzenpolizist wirft dem Satiriker das Vergehen der üblen Nachrede vor – Holzer sieht in einem Beitrag Scheubas den Vorwurf, er habe im Vorfeld des Ibiza-Videos Amtsmissbrauch betrieben.

Kurz gesagt geht es darum, dass im März 2015 ein Anwalt bei Holzer und einem zweiten Beamten vorsprach und offenbarte, dass er von möglicherweise belastendem Material über den damaligen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wisse. Er soll auch ein Foto einer mit Bargeld gefüllten Sporttasche gezeigt haben. Einen Teil des Materials hatte der Anwalt, er wollte es aber weder hergeben noch den Namen des Informanten nennen.

Verschiedene Forderungen

Eineinhalb Stunden wurde geplaudert, der Anwalt wollte angeblich die Zusicherung von Straffreiheit für den Informanten, Geld und eine Anklageerhebung noch vor der Wiener Landtagswahl 2015. Nichts davon sicherten die Polizisten zunächst zu, stattdessen informierten sie eine Staatsanwältin, die die beiden Beamten beauftragte, den Anwalt nach der Identität des Informanten zu fragen, ohne den es ja keine Beweise gäbe.

Die Kontaktaufnahme mit dem Anwalt gestaltete sich laut Holzer schwierig – auf die Mailbox gesprochene Rückrufbitten seien nicht erfüllt worden, eine Kontaktaufnahme nicht möglich gewesen. Das wurde auch in einem Aktenvermerk festgehalten – vor Richter Romstorfer musste Holzer dann aber eingestehen, dass später sehr wohl ein kurzes Telefonat mit dem Anwalt stattfand, das aber keinen Niederschlag in den Akten mehr fand. Die Staatsanwaltschaft stellte mangels Beweisen die Untersuchungen dann ein. Gut zwei Jahre später entstand auf den Balearen das einschlägige Video von Strache und Johann Gudenus.

Vertreter sieht keine Untätigkeit

Für Scheuba ist die überschaubare Motivation Holzers bei der Suche nach dem Informanten eine "rätselhafte Untätigkeit", die "folgenschwere Arbeitsverweigerung" habe indirekt zum Ibiza-Video geführt. Einen Vorwurf, den Holzers Anwalt Zöchbauer in seinem Schlussplädoyer zurückweist: Der Anwalt habe den Polizisten keine Beweismittel gezeigt, außerdem habe ihn der Informant nie mit einer Kontaktaufnahme mit dem Bundeskriminalamt beauftragt.

Maria Windhager, Scheubas Verteidigerin und auch die Anwältin des STANDARD, sieht das naturgemäß ganz anders. Erstens handle es sich bei dem Beitrag um Satire, sie halte die Privatanklage des Spitzenbeamten für eine "Slapp"-Klage, also den Versuch, missliebige Äußerungen durch Einschüchterung zu unterbinden.

Der Versuch laufe aber ohnehin ins Leere: Denn in der Kolumne Scheubas sei ein richtiger Tatsachenkern enthalten, und im Laufe des Gerichtsprozesses habe sich auch herausgestellt, dass Holzer nicht die Wahrheit gesagt habe, spricht sie die Sache mit dem undokumentierten Telefonat an.

Definitionsfrage "gute Ermittlungstätigkeit"

Scheuba selbst macht von seiner Möglichkeit des letzten Wortes Gebrauch und stellt eine Hypothese in den Raum: "Möglicherweise sind der Privatankläger und ich grundsätzlich unterschiedlicher Auffassung, wie gute polizeiliche Ermittlungstätigkeit auszusehen hat", mutmaßt er, dass Holzer sich auf den Schlips getreten fühlt.

Richter Romstorfer sieht das auch so, spricht den mittlerweile 57-jährigen Angeklagten frei und weist die Entschädigungsanträge gegen den STANDARD ab. Einerseits glaubt er "sehr wohl, dass es Satire" sei. Der sei zwar nicht alles erlaubt, aber "das Verfahren zeigt für mich schon, dass die Wertung zulässig ist und kein Wertungsexzess vorliegt", begründet er.

Der "Tatsachenkern" habe sich als wahr erwiesen, hält Romstorfer noch fest. Da Zöchbauer keine Erklärung abgibt, ist die Entscheidung vorerst nicht rechtskräftig. Am Montag Abend hat Windhager per Twitter bekanntgegeben, dass Holzer in Berufung gehen wird. (Michael Möseneder, 13.6.2022)