Spät, aber doch scheint nun auch in Österreich sprichwörtlich Wind in das Großprojekt Energiewende zu kommen. Was während zweier Jahre Corona vergessen, zerstritten oder verschoben wurde, ist unter dem Eindruck des russischen Aggressionskriegs gegen die Ukraine endlich zur Erkenntnis gereift: dass nämlich am raschen Ausbau erneuerbarer Energien kein Weg vorbeiführt, wenn die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, namentlich von russischem Erdgas, reduziert werden soll. Bei durchschnittlichen Genehmigungszeiten von knapp acht Jahren für Windräder geht sich schon das selbstgesetzte Ziel, 100 Prozent des benötigten Stroms in Österreich 2030 bilanziell aus erneuerbaren Quellen zu beziehen, nie und nimmer aus. Weil aber Wladimir Putin zuzutrauen ist, den Gashahn schon früher zuzudrehen, ist jetzt Feuer am Dach.

Das Potenzial für Windkraft in Westösterreich wird von Experten und Expertinnen durchwegs als hoch eingestuft.
Foto: IMAGO/Panama Pictures

Je schneller der Umstieg von fossil auf erneuerbar geschafft wird, desto besser – auch dazu gibt es wie beim 100-Prozent-Ziel über Parteigrenzen hinweg fast einhellig Zustimmung. Das mit dem rasch umsetzen ist aber so eine Sache. Da kann der Bund noch so sehr dafür sein; wenn die Länder, aus welchen Gründen auch immer, nicht mitziehen, wird sich die Realisierung von Windrädern nicht beschleunigen. Das gilt vor allem für den Westen, wo derzeit gar keine Windräder stehen, auch weil die Bundesländer keine Widmungen vornehmen.

Leonore Gewessler als zuständige Energie- und Klimaschutzministerin lässt nun mit einem Vorschlag aufhorchen, der selbst in den eigenen, grünen Reihen für Diskussionen sorgen dürfte. Sie will jene Bundesländer überdribbeln, die bisher noch keine Energieraumplanung haben beziehungsweise den Druck auf diese erhöhen, dies endlich selbst in Angriff zu nehmen. Wenn nicht, dann soll eine Umweltverträglichkeitsprüfung auch ohne entsprechende Flächenwidmung starten dürfen. Mit der Blockade wäre es vorbei.

Zu den Bremsern zählen ausgerechnet jene Bundesländer, wo die Grünen seit längerem schon in der Landesregierung sitzen: Tirol, Vorarlberg und Salzburg, wobei Salzburg nach lange durchgehaltener Abstinenz dabei ist, eine Energieraumplanung mit entsprechender Ausweisung bevorzugter Flächen für den Bau von Windkraftanlagen vorzunehmen. Wann diese vorgelegt wird, steht noch in den Sternen.

Das Potenzial für Windkraft in Westösterreich wird von Experten und Expertinnen durchwegs als hoch eingestuft, zumindest was Anlagen auf Bergrücken betrifft. In Tälern haben solche aus Mangel an Wind hingegen wenig Sinn. Auf Landschaftsschutz allein werden sich die Grünen dennoch nicht mehr ausreden können. Schließlich haben Länder wie Niederösterreich, das Burgenland oder die Steiermark, die in gewissen Gegenden mit Windkraft vollgestopft sind, eine Landschaft. Und die ÖVP, die bei Erneuerbaren auch immer wieder bremst? Sie wird sich von der Grünen Gewessler diesmal wohl mitziehen lassen, um keine weiteren Skandale zu riskieren. (Günther Strobl, 13.6.2022)