Protest gegen Partnerschaftsgewalt in Belgien.

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Seit Mai dieses Jahres kam es zu einer Häufung von Tötungen von Frauen. In fünf von sechs Fällen beging der mutmaßliche Täter danach Suizid. Zwischen Jänner und April 2022 war es laut Zählung der Autonomen Frauenhäuser zu neun Tötungen von Frauen und Mädchen gekommen, durchschnittlich 2,25 pro Monat. Seit Anfang Mai waren es durchschnittlich drei mutmaßliche Femizide pro Monat.

Die Häufung dieser Fälle zu dieser Jahreszeit ist keine Einzelerscheinung. Eine Untersuchung der Morde an Frauen in den vergangenen zehn Jahren zeige (DER STANDARD berichtete), dass es auch in den Jahren davor einen klaren Peak im Mai gegeben habe, sagt Birgit Haller vom Institut für Konfliktforschung. "Das hat mich überrascht, ich – und wohl viele andere auch – hätten erwartet, dass es einen regelmäßigen Anstieg an Weihnachten gibt", sagt Haller auf Nachfrage des STANDARD. Den Anstieg rund um Weihnachten gibt es aber nicht, stattdessen eine kontinuierliche Spitze in einer Zeit, die keine spezifischen Gefahrenmomente wie vermehrte familiäre Zusammenkünfte aufweist. Doch für die Weihnachtzeit gibt es einen Mittelwert, im September gehen die Femizide – auch regelmäßig – zurück, während sie im Frühsommer regelmäßig anstiegen.

319 Frauenmorde in zehn Jahren

Im Untersuchungszeitraum zwischen Jänner 2010 und Oktober 2020 wurden insgesamt 319 Frauenmorde verübt. Warum diese Morde öfter im Frühsommer als in anderen Monaten passieren, ist derzeit unklar. Diese quantitative Untersuchung ist nur ein erster Teil einer umfassenden Studie. Birgit Haller evaluiert gerade mit Kolleg:innen die Gerichtsakten dieser Fälle.

Neben der aktuellen Häufung von mutmaßlichen Femiziden fällt auch auf, dass bis auf eine Ausnahme alle mutmaßlichen Täter Suizid begingen. "Im Bereich der Femizide gibt es laut Untersuchungen keine Trittbrettfahrer", weiß Haller. Dennoch haben sie die jüngsten Vorfälle zweifeln lassen. "Bei Suiziden wissen wir, dass es einen Nachahmereffekt gibt – vielleicht hat es auch diesen Effekt bei einem Femizid mit Suizid – aufgrund des Suizids", das wäre ein Gedanke dazu, sagt Haller. Fest steht jedenfalls, dass es ein klares Hochrisiko-Anzeichen ist, wenn Männer mit einem Suizid drohen. "Autoaggression und Fremdaggression sind sehr nah beieinander", sagt Birgit Haller.

Unterschiedliche Zahlen

Der jüngste Fall passierte am Montag. Ein 80-jähriger Mann hat in Groß-Enzersdorf offenbar seine Frau und anschließend sich selbst erschossen. In einem Notruf des Mannes bei der Polizei und im Abschiedsbrief war von einer Krankheit beider die Rede. Das ist somit ein Beispiel, warum die genannten Zahlen zu Femiziden so stark variieren. Die Autonomen Frauenhäuser listen einen solchen Fall als Femizid, andere hingegen nicht, weil es womöglich im Falle einer Krankheit ein gemeinsamer Entschluss gewesen sein könnte, was sich allerdings in den seltensten Fällen klären lässt. Deshalb zählte die APA bis 30. Mai mit sieben mutmaßlichen Femiziden deutlich weniger als die Autonomen Frauenhäuser, die zu dem Zeitpunkt bereits zwölf mutmaßliche Femizide aufgelistet hatten.

Wesentliches Merkmal eines Femizids ist, dass das Opfer mit hoher Wahrscheinlichkeit noch am Leben wäre, wenn es keine Frau wäre. Es geht somit zentral um Frauenhass, Besitzansprüche oder Partnerschaftsgewalt. Letztlich entscheiden die Gerichte, ob von einem "Mord" und somit von einem Frauenmord oder Femizid gesprochen werden darf. Der Österreichische Frauenring schreibt in einer Stellungnahme zu dem jüngsten Fall Anfang dieser Woche zum Thema Femizid: "Ein Mann nimmt sich das Recht, über das Leben einer Frau zu entscheiden." (Beate Hausbichler, 14.6.2022)