Tirols VP-Landeshauptmann Günther Platter (li.) stellte am Montag Anton Mattle (re.) als seinen Wunschnachfolger vor.

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Günther Platter will sich das nicht mehr antun. Mit diesen Worten erklärte der noch amtierende Landeshauptmann von Tirol am Montagmittag, warum er bei der nächsten Landtagswahl nicht mehr kandidieren werde, sondern das Zepter nach 14 Jahren im Amt an seinen Wunschnachfolger, den Wirtschaftslandesrat Anton Mattle, übergibt. Der Landesparteivorstand der Tiroler Volkspartei (VP) hat die Rochade am Montagvormittag bereits per Beschluss abgesegnet. Platters Vorschlag, an Mattle zu übergeben, wurde dort einstimmig angenommen. Beim VP-Landesparteitag am 9. Juli soll er von den Parteimitgliedern als Platter-Nachfolger bestätigt werden. Und schon am 25. September, so der Plan der VP, wird Mattle die Partei in die vorgezogene Landtagswahl führen.

Von langer Hand geplant

Der Wechsel an der Spitze kommt zwar für Außenstehende überraschend, doch Platter hat ihn offenbar von langer Hand geplant. Bei der Pressekonferenz nach dem Landesparteivorstand am Montag erklärte sein designierter Nachfolger Mattle, dass seiner Zusage auf Platters Angebot ein "Nachdenkprozess" vorausgegangen ist: "Da kann man nicht einfach und schnell Ja sagen." Er habe ausführliche Gespräche mit seiner Familie geführt, erzählte Mattle, und diese trage nun seine Entscheidung mit. Der Inhaber eines Elektrohandels hat zudem bereits die Übergabe seiner Firma an einen Kollegen per 30. Juni sichergestellt. Es dürfte also zumindest für Platter und Mattle einige Vorlaufzeit gegeben haben.

Seine Partei dürfte Platter hingegen mit seinem Rückzug bewusst überrascht haben. Am Sonntag, nachdem die Entscheidung durchgesickert war, gab es keine Reaktion der Bundes-ÖVP. Und auch in Tirol liefen am späten Nachmittag noch hektische innerparteiliche Gespräche, ist von Insidern zu hören. Platter selbst lieferte beim Pressetermin am Montag eine Erklärung für sein Handeln: "Personalentscheidungen muss man sofort vornehmen. Ich kenne unsere Partei. Da ist die Geschlossenheit in Gefahr, wenn tagelang diskutiert wird." Der Landeshauptmann hat seinen Abgang also ganz bewusst für diesen Montag geplant, um eine geordnete Übergabe in seinem Sinne durchführen zu können.

Konkurrenten Walser ausgebootet

Denn hinter Platter scharren längst willige Nachfolger in den Startlöchern. Allen voran Wirtschaftskammerpräsident Christoph Walser, mit seinem Adjutanten vom Wirtschaftsbund, Seilbahnlobbyist Franz Hörl. Das Verhältnis zwischen dem Wirtschafts- und Tourismusflügel auf der einen und dem AAB-Landeshauptmann und Tourismusreferenten Platter auf der anderen Seite verschlechterte sich im Zuge der Corona-Pandemie zusehends. Dass Platter im Frühjahr 2020 die Wintersaison vorzeitig für beendet erklärt hat, war eine jener Entscheidungen, die man ihm dort lange nicht verziehen hat. Es folgten weitere Scharmützel im Verlauf der Pandemie.

Schon 2021 zeigten sich diese Bruchlinien, als Platter bei der Neubesetzung des Wirtschaftslandesrates nicht Walser, sondern damals ebenfalls überraschend Mattle aufbot. Er scheint ihn aus heutiger Sicht bereits als Nachfolger aufgebaut zu haben. Denn hätte Platter selbst noch eine Wahl geschlagen und erst danach eine angekündigte Übergabe während seiner Amtszeit durchgeführt, wäre genau das eingetreten, wovor er heute gewarnt hat. Ein interner Machtkampf um seine Nachfolge wäre losgebrochen.

Walser ist nicht erfreut

Walser zeigte sich am Montag gegenüber der APA wenig erfreut über Platters Schachzug: "Ich hätte einen mutigen Schritt bevorzugt, eine glaubwürdige Erneuerung, sowohl innerhalb der Tiroler VP als auch im Regierungsteam." In der Politik gehe es für ihn letztendlich darum, geradlinig einen Weg zu gehen und "sich nicht vor heiklen Entscheidungen zu drücken", wurde Walser deutlich und legte nach: "Eine innerparteiliche Transparenz oder glaubwürdige, demokratische Prozesse würde ich mir in einer modernen Partei wünschen."

Nach Jahrzehnten in der Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik ist Platter offenbar zum politischen Strategen gereift. Denn die Landesparteivorstandssitzung am Montag war seit langem geplant und dazu gedacht, die neuen Tiroler Bundesregierungsmitglieder, Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig und Staatssekretär Florian Tursky, zu präsentieren. Platter nutzte den Termin geschickt, um seine Nachfolge zu regeln. Seinen internen Konkurrenten blieb dadurch keine Zeit, zu reagieren. Sie mussten wohl oder übel mitziehen, um das Bild der inneren Zerrissenheit der VP zu vermeiden; Mattle wurde einstimmig bestätigt. Und bis zur Wahl wird es keine Umbildungen mehr im Regierungsteam geben, wurde betont. Dass seit Mai auch zwei seiner engsten Mitarbeiter, seine langjährige Sprecherin Katrin Pittracher und sein Büroleiter Tursky, neue Jobs annahmen, erscheint angesichts von Platters Rückzug in neuem Licht.

Tiroler VP droht ein Wahldebakel

Neben dem drohenden internen Machtkampf haben auch die schlechten Umfragewerte der VP eine Rolle bei Platters Entscheidung gespielt. Bei der Landtagswahl 2018 fuhr er mit 44,3 Prozent noch ein Traumergebnis ein. Aktuell sehen Umfragen die VP bei rund 30 Prozent, ein historischer Tiefstwert in Tirol. Die durchwachsene Performance während der Pandemie und die Skandale der Bundes-ÖVP haben Spuren hinterlassen. Während 14 Jahren im Amt hat er sich das Image des Landesvaters erarbeitet. Ein Wahldebakel würde diesem Bild nachhaltig schaden.

Persönlich wirkte der 68-Jährige zuletzt müde. Die intensive Zeit der Pandemie hat auch bei ihm Spuren hinterlassen. Platter nächtigte als Leiter des Krisenstabes über Wochen im Landhaus. Täglich tagten die Gremien, kaum ein Bundesland stand so lange so intensiv im Fokus wie Tirol. Das zehrt, auch an einem Vollblutpolitiker wie Platter. Es habe in seiner 14-jährigen Amtszeit keinen Tag gegeben, den er missen möchte, sagte Platter am Montag. Aber es gab zuletzt mehrere Tage, die er nicht wieder erleben wolle. Dazu zähle der 13. März 2020, als er die Wintersaison für beendet erklärt, oder der 15. März 2020, als er über Tirol den ersten Lockdown verhängt hat.

Auch Morddrohungen gegen ihn und seine Familie nannte Platter als Erklärung für seinen Rückzug. Seit der Landeshauptleutekonferenz am Achensee im Herbst 2021, wo die Impfpflicht beschlossen wurde, habe dies neue Ausmaße angenommen, die auf Dauer nicht tragbar seien.

Kritik von den anderen Parteien

Bei den anderen Tiroler Parteien wird Platters Rochade kritisch gesehen. FPÖ-Obmann Markus Abwerzger sieht in Mattle die Fortführung der Platter-Linie und erwartet von ihm wenig Neues. Markus Sint von der Liste Fritz wirft der VP vor, ihren internen Machtkampf auf dem Rücken der Bevölkerung auszutragen, die derzeit andere Sorgen habe als vorgezogene Wahlen. Neos-Spitzenkandidat Dominik Oberhofer unterstützt – wie auch die FPÖ – die vorgezogenen Wahlen im Herbst, glaubt aber, dass der wahre Grund für Platters Rücktritt im Skandal um die Corona-Hilfsgelder begründet liegt, die auch Tiroler VP-nahe Vereine beantragt und erhalten haben. SPÖ-Chef Georg Dornauer spricht sich ebenfalls für Wahlen im September aus und hofft, den Aufwind aus den Gemeinderatswahlen vom Februar noch nutzen zu können.

Die Grünen, mit denen die VP seit 2013 eine Koalitionsregierung bildet, haben hingegen wenig Freude mit der Aussicht auf vorgezogenen Landtagswahlen, wie deren Spitzenkandidat und Klubobmann Gebi Mair erklärte. Man sei aber gesprächsbereit.

Kraftakt für Mattle

Platter kann nun bis September seine letzten Monate als Landeshauptmann ohne die drohende Gefahr einer persönlich zu verantwortenden Wahlniederlage gestalten. Für seinen Nachfolger Mattle beginnt hingegen ein wahrer Kraftakt. Er muss die Tiroler Volkspartei einen und in eine Wahl führen, in der er kaum gewinnen kann, die Schadensbegrenzung steht im Vordergrund. Der Oberländer habe aber schon oft vorgezeigt, wie man Wahlen erfolgreich schlägt, streute Platter seinem Nachfolger am Montag Rosen. Wohl auch im beruhigenden Wissen, dass er selbst sich das nicht mehr antun muss. (Steffen Arora, 13.6.2022)