Stellare Schwarze Löcher machen sich auf ihrer Reise durch die Galaxie kaum bemerkbar.
Illustr.: FECYT, IAC

Nach unterschiedlichen Schätzungen könnten zwischen zehn Millionen und eine Milliarde Schwarze Löcher still und leise durch die Milchstraße treiben. Es liegt in ihrer Natur, dass sie dabei im Grunde unsichtbar sind, solange es ihnen nicht gelingt, vorbeiziehende Materie einzufangen.

Für eine wissenschaftliche Beobachtung der heimlichen Schwerkraftmonster ohne Partner, die sie umkreisen können, gibt es praktisch nur eine Chance: Ein solches Schwarzes Loch muss von der Erde aus gesehen vor einem weiter wegliegenden Stern vorbeiziehen – und ein Teleskop sollte in diesem Moment auf das Ereignis gerichtet sein.

Die Schwerkraft eines Schwarzen Lochs verzerrt die Raumzeit, und das Licht eines entfernten Sterns muss auf dem Weg zur Erde gleichsam einen "Umweg" nehmen.
Illustr.: NASA, ESA, STScI, Joseph Olmsted

Die Gravitationskraft des Schwarzen Lochs hat während der Passage einen charakteristischen Effekt auf das Licht des Hintergrundsterns: Sie verzerrt und verstärkt es wie eine optische Linse, weshalb man bei diesem Phänomen von Mikrogravitationslinsen spricht.

Dieser Effekt lässt sich als Verzerrung, manchmal sogar als Ring, beobachten. Hier ist es die Galaxie LRG 3-757 (im Zentrum), die eine Hintergrundgalaxie (blau) zu einem sogenannten "Einsteinring" verbiegt.
Foto: ESA/Hubble

Sommer 2011

Bei der Suche nach solchen "verbogenen", plötzlich heller werdenden Sternen ist vor einigen Monaten ein Team um Kailash Sahu vom Space Telescope Science Institute (Baltimore, Maryland) tatsächlich fündig geworden: Am 2. Juni 2011 zeichneten zwei Mikrolinsen-Durchmusterungen unabhängig voneinander ein solches Ereignis auf, das am 20. Juli seinen Höhepunkt erreichte.

Die Beobachtung erhielt die Bezeichnung MOA-2011-BLG-191/OGLE-2011-BLG-0462 – oder kurz: OB110462 – und war in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Das Ereignis dauerte mit 270 Tagen nicht nur ungewöhnlich lang, sondern zeigte auch eine besonders starke Verzerrung des Sternenlichts.

Berechnungen ergaben, dass ein herkömmlicher Stern oder Brauner Zwerg dafür wohl nicht infrage kam. Die Daten passten deutlich besser zu einem kleinen, aber äußerst massereichen Objekt in 5.100 Lichtjahren Entfernung: einem Schwarzen Loch oder einem Neutronenstern.

Die Aufnahme des Hubble Space Telescope zeigt einen fernen Stern, der 2011 für rund 270 Tage aus der Form geriet. Schuld an dem Helligkeitsausbruch ist ein im Vordergrund vorbeiziehendes massereiches Objekt.
Foto: NASA, ESA, Kailash Sahu (STScI), Joseph DePasquale

Neue Daten

Ein unabhängiges Forschungsteam konnte diese Einschätzung nun untermauern: Die Gruppe um Casey Lam und Jessica Lu von der University of California, Berkeley, kommt bei der Analyse der Daten zu ähnlichen Schlüssen wie zuvor Kailash Sahu und seine Kolleginnen und Kollegen.

"Die Länge des Aufhellungsereignisses ist ein Hinweis darauf, wie massereich die 'Vordergrundlinse' ist, die das Licht des Hintergrundsterns beugt", sagt Lam. "Lange Ereignisse sprechen daher normalerweise eher für Schwarze Löcher." Aber auch die Geschwindigkeit des Objekts und des Hintergrundsterns relativ zueinander spielt eine Rolle bei dieser Einschätzung. Um sich Klarheit zu verschaffen, untersuchten Lu und Lam neue Hubble-Daten des Hintergrundsterns aus dem Jahr 2021.

Video: Wie man unsichtbare Schwarze Löcher findet.
UC Berkeley

Eher ein Neutronenstern

Die Resultate ergaben schließlich geringfügig abweichende Masseeinschätzungen: Während Sahu und sein Team auf ein Objekt von bis zu 7,1-facher Sonnenmasse gekommen waren, berechneten Lu und Lam die Masse des Objekts auf 1,6- bis 4,4-fache Sonnenmasse. Das würde eher für einen Neutronenstern sprechen, so die Forschenden.

"Was auch immer es ist, das Objekt ist der erste entdeckte dunkle Überrest eines Sterns, der ohne Begleitung eines anderen Sterns durch die Galaxie wandert", sagt Lam. Für die Astronomie ist es in jeder Hinsicht eine gewaltige Leistung, immerhin war es gelungen, ein massereiches Objekt von der Größe einer Kleinstadt in über 5.000 Lichtjahren Entfernung zu identifizieren. (tberg, 14.6.2022)