Nancy Crampton Brophy hat die feine Membran zwischen Wahn und Wirklichkeit offenbar gewaltsam durchstoßen. Das Urteil in Oregon lautete für sie: lebenslänglich.

Foto: AP/Multnomah County Sheriff

Selbst flüchtige Leser von Büchern der US-Autorin Nancy Crampton Brophy (71) hätten das Unheil wittern können. Man hätte bei Brophy, die unzählige Krimis geschrieben und auch selbst verlegt hat, den Eheberater vorbeischicken können. Man hätte vielleicht den Pfarrer auf das Ehepaar Brophy in Portland, Oregon, aufmerksam machen können. Womöglich hätte ein eifriger Leser die Schöpferin des Essays Wie man seinen Ehemann tötet auch nur fest in den Arm zu nehmen brauchen.

Brophys Werke tragen so vielsagende Titel wie Der falsche Ehemann oder Der falsche Liebhaber. Vor einigen Jahren ließ diese Verächterin der holden Zweisamkeit endgültig die Maske fallen. In obigem Essay erörterte sie ausführlich Für und Wider der geläufigsten Tötungsarten. Jetzt, vier Jahre nach der brutalen Ermordung ihres Gemahls, wurde Nancy Brophy von einer Jury in Oregon zu lebenslanger Haft verurteilt. Worüber sie so ausführlich nachgesonnen hat, das scheint diese Agatha Christie des Männerverschleißes in die Tat umgesetzt zu haben. Indizien legen es nahe.

Eines Morgens vor vier Jahren wurde Nancys Gatte, Kursleiter in einer Kochschule, tot auf dem Boden der gemeinsamen Küche gefunden: kaltblütig erschossen. Das Ehepaar Brophy sah eigentlich einem geruhsamen Lebensabend entgegen. Man hielt gemeinsam Hühner. Die Dame des Hauses verbrachte die meiste Zeit des Tages im Bett und ersann kolossale Verbrechen.

Ein Weihnachtsgeschenk

Wie die gerichtliche Untersuchung ans Licht brachte, ließ sich Mrs. Brophy Bausätze für Handfeuerwaffen im Gegenwert von 1000 Dollar zusenden ("ein Weihnachtsgeschenk an mich selbst"). Die Pegasus-Jüngerin führt zur ihrer Rechtfertigung Recherchezwecke an. Zur Tatzeit sei Brophy unterwegs gewesen; eine Kamera belegte Gegenteiliges. Geldsorgen hätten die Dichterin geplagt. Ihren Blick habe sie auf die Lebensversicherung des Mannes gerichtet gehabt. Unsinn, so ihre Entgegnung. Wie schrieb sie in ihrem Pamphlet über das Gatten-Abmurksen? Schusswaffen seien "laut, stiften Unordnung und erfordern einiges Geschick". Die Tatwaffe soll derweil verschwunden sein.

Frühestens in 25 Jahren kann Nancy Brophy einen Antrag auf Bewährung stellen. Bis dahin hat sie Muße genug, weitere Mordfälle zu schildern. Oder sie geht in sich. Und rehabilitiert auf literarisch hieb- und stichfeste Weise die Spezies Mann: vor allem und zuerst ihren teuren Verblichenen. (Ronald Pohl, 14.6.2022)