Häuser fürs Wohnen – wie hier im Quartier Riedenburg – werden weniger. Einige Gründerzeitvillen rund um die Wohnbauten wurden zu Microhotels.

Foto: Stefanie Ruep

Es war für das bürgerlich biedere Salzburg fast revolutionär. Acht Aktivistinnen und Aktivisten besetzten Mitte Mai ein Haus in der Franz-Josef-Straße im Salzburger Andräviertel, um den Leerstand in der Stadt anzuprangern. Sie haben sich dafür ein Haus ausgesucht, das dem Ex-Skistar Marcel Hirscher gehört. Die Aufmerksamkeit war damit erreicht. "Während immer mehr Menschen von Wohnungslosigkeit bedroht und betroffen sind, wird auf ihre Kosten mit Leerstand spekuliert. Wenige profitieren auf dem Rücken von vielen", hieß es in der Ankündigung der Hausbesetzung, die über das Wochenende andauern sollte. Sie wurde jedoch von der Polizei nach vier Stunden beendet.

Es brodelt in der Bevölkerung, denn seit Jahren ist die Wohnungsnot eines der drängendsten Probleme in Salzburg. Derzeit sind im Bundesland 1130 Personen wohnungs- oder obdachlos. Das zeigt die aktuelle Wohnbedarfserhebung, die jedes Jahr vom Forum Wohnungslosenhilfe in Salzburg durchgeführt wird. Bedrohlich sieht das Forum vor allem den Anstieg von 35 Prozent an minderjährigen Personen, die prekär wohnversorgt sind. Im Vorjahr wurden 277 Kinder und Jugendliche erfasst, 15 davon waren obdachlos. Die Expertinnen sehen hier dringenden Handlungsbedarf, um negative Folgen für die Betroffenen und die Gesellschaft zu vermeiden.

90 Prozent der Angebote teuerste Wohnkategorie

Die Baustellen in der Wohnungspolitik werden in der Landeshauptstadt augenscheinlich. Treiber der Wohnproblematik sind allen voran die hohen Wohnkosten. Laut einer Studie des Salzburger Instituts für Raumordnung (SIR) machten die Wohnkosten in der Stadt im Schnitt 44 Prozent des Haushaltseinkommens aus, was einer überproportionalen Wohnkostenbelastung entspricht. Besonders belastet ist jedoch das unterste Einkommensviertel, für das nur der geförderte Mietwohnbau noch leistbar ist. Für die untersten zehn Prozent auch nur dann, wenn zusätzlich die Wohnbeihilfe bezogen wird.

Doch geförderte Wohnungen fehlen in Salzburg. Mit 46 Prozent hat Salzburg im Österreich-Vergleich einen geringen Anteil an sozialen Mietwohnungen, zeigt eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo). Laut SIR haben Wohnungssuchende große Probleme, eine leistbare Wohnung zu finden, da 90 Prozent der Angebote in den teuersten Wohnkategorien zu finden sind. Die sind aber für einen Großteil der Salzburgerinnen nicht leistbar. Bei den Eigentumswohnungen liegt der Quadratmeterpreis im Neubau bereits bei 8000 Euro, und auch im Bestand verteuerten sich Wohnungen um 14 Prozent auf 5500 Euro pro Quadratmeter.

Blindflug beim Leerstand

Mit der Leerstandbesetzung haben die Aktivisten auf ein Salzburger Dauerproblem gezeigt. Bis zu 10.000 Wohnungen stehen laut Schätzungen in der Stadt Salzburg leer. Genaue aktuelle Zahlen dazu fehlen. Die letzte Studie zum Leerstand in der Stadt Salzburg stammt aus dem Jahr 2015. 4800 Wohnungen wurden damals laut SIR-Studie aufgrund des geringen Stromverbrauchs nicht genutzt und daher als Leerstand definiert. Bereits im Vorjahr hat KPÖ-Plus-Gemeinderat Kay-Michael Dankl einen Antrag eingebracht, den Leerstand in der Stadt zu erheben.

Das Haus in der Franz-Josef-Straße im Andräviertel war für wenige Stunden besetzt, um auf den Leerstand aufmerksam zu machen.
Foto: Kay-Michael Dankl

Sein Antrag wurde abgelehnt, da "ohnedies Erörterungen auf höchster politischer Ebene stattfinden" würden und daher kein Erfordernis bestehe, auf Verwaltungsebene Schritte zu setzen, heißt es in der Beantwortung der zuständigen Wohnbauabteilung. Dankl hat heuer erneut einen Antrag gestellt. Mit den erhobenen Daten solle die demnächst in Kraft tretende Leerstandsabgabe des Landes angewandt werden und die Einhaltung kontrolliert werden können, fordert der Gemeinderat.

Leerstandsabgabe unter Wertsteigerung

Das Land Salzburg wird eines der ersten Bundesländer sein, die mit dem neuen Grundverkehrsgesetz eine Leerstandsabgabe einführen. Die Abgabe ist mit zehn Euro pro Quadratmeter bemessen. Für eine 100 Quadratmeter große Wohnung werden also 1000 Euro fällig. Ausgenommen von der Abgabe sollen etwa Wohnungen sein, die aus bautechnischen Gründen nicht gebrauchstauglich sind, oder Vorsorgewohnungen für Kinder.

Noch vor dem Sommer soll die Abgabe im Landtag beschlossen werden. Einheben sollen sie die Gemeinden. SPÖ und KPÖ begrüßen zwar die Einführung einer Leerstandsabgabe, halten sie aber für zu gering. Sie fordern eine Leerstandsabgabe in der Höhe der jährlichen Wertsteigerung einer Immobilie. Um künftig höhere Abgaben auf leerstehende Wohnung zu ermöglichen, wollen die Landeshauptleute, dass das Volkswohnwesen künftig in Länderkompetenz übergeben wird. Dafür wäre jedoch eine Verfassungsänderung notwendig.

Microhotels statt Wohnungen

Potenzieller Wohnraum geht in der Stadt Salzburg in den vergangenen Jahren auch verloren, weil in den Häusern Microhotels oder Apartments entstehen. Vor allem in Riedenburg, in Leopoldskron und im Andräviertel – drei direkt an die Altstadt angrenzenden Stadtteilen – bieten die stylischen Boutique-Absteigen Unterkünfte für Hipster und Luxusgäste. Kleinere Wohnhäuser werden dazu zu Hotels umgebaut, anstatt sie wieder auf den Wohnungsmarkt zu bringen. Gründerzeithäuser werden so zu Self-Check-in-Hotels ohne Personal, dafür mit Automaten für Schlüssel, Essen und Getränke.

Wie viele solche Kleinhotels es mittlerweile gibt, weiß man in der Stadt nicht. Denn Beherbergungsbetriebe brauchen laut Gewerbeordnung erst ab 31 Betten eine Bewilligung. Nur in der Altstadtzone ist die Umwidmung von Wohnraum nicht erlaubt – obwohl Salzburg bei den Gästebetten mit mehr als 16.100 laut Statistik Austria auf Platz zwei der österreichischen Gemeinden hinter Wien liegt. Doch nicht nur durch offiziell als Hotels oder Apartments geführte Häuser wird Wohnraum entzogen, sondern auch durch Kurzzeitvermietungen über Airbnb oder die Nutzung von Wohnungen lediglich zur Festspielzeit.

Spekulationsobjekte

"Dieses Quartier wird Gold wert", prangt in großen weißen Lettern auf dem blauen Plakat. Geworben wird hier nicht etwa um potenzielle Bewohner des neuen Quartiers V33 im Stadtteil Schallmoos, sondern um Anlegerinnen und Anleger, die mit diesem "Prime Investment" "smart und sicher" investieren könnten.

Ein Quartier, das für die Anleger Gold wert wird. Hier wird nicht um künftige Bewohnerinnen geworben.
Foto: Stefanie Ruep

Gebaut wird ein Hotel mit 120 Zimmern, mit Büro-, Gewerbe- und Gastronomieflächen und einem Anteil an gefördertem Wohnbau. Wohnungen sind zum Spekulations- und Anlageobjekt verkommen. Investoren lassen Wohnungen oft leer stehen, da die hohen Renditen eine Vermietung gar nicht mehr notwendig machen. Allein die Wertsteigerung deckt die Kosten.

Wohnbaugeld versickert im Budget

Seit Jahren erreicht das Land Salzburg seine selbstgesteckten Vorgaben für geförderten Mietwohnbau nicht und hat diese deshalb zurückgeschraubt. 2018 wollte die Landesregierung noch 900 Mietwohnungen jährlich bauen, im Vorjahr wurden gerade einmal 389 Mietwohnungen (und 181 Einheiten in Wohnheimen) gebaut. Dass die Förderung nicht treffsicher ist, zeigt auch, dass jedes Jahr Millionen Euro an Wohnbaugeldern nicht abgeholt werden. 44 Millionen Euro blieben im Vorjahr liegen. Da die Wohnbaugelder in Salzburg auch nicht zweckgebunden sind, fließt dieses Geld zurück ins Landesbudget – seit 2018 waren das rund 130 Millionen Euro. Dieses Geld könnte stattdessen zweckgebunden gegen die Wohnungsnot eingesetzt werden. (Stefanie Ruep, 14.6.2022)