"An Reinigungskräften zeigen sich lehrbuchmäßig geschlechtsspezifische, ethnisierte und klassenspezifische Verteilungen von Chancen und Risiken", sagt Laura Wiesböck, Senior Researcher am Institut für Höhere Studien, im Gastkommentar. Sie plädiert gegen die Unsichtbarmachung von Reinigungskräften.

Der 15. Juni ist internationaler Tag der Gebäudereinigung. Die prekären Arbeitsbedingungen betreffen mehrheitlich Frauen.
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Im Krisenmodus der Covid-19-Pandemie haben Teile der Zivilgesellschaft daran erinnert, dass Arbeiterinnen im Gesundheits- und Pflegebereich oder im Lebensmittelhandel grundlegend das "System erhalten". Reinigungskräfte hingegen haben kaum eine rhetorische Aufwertung erfahren, obwohl Hygiene und Desinfektion eine essenzielle Rolle in der Bekämpfung der Verbreitung des Virus spielen und ein Grundbestandteil eines funktionierenden Gesundheitswesens sind.

Wie ist das zu erklären? Einerseits haben Berufe mit physischem Kontakt mit Schmutz allgemein ein geringes gesellschaftliches Prestige. Andererseits werden Reproduktionstätigkeiten, die der traditionellen Erwartung nach im unbezahlten Aufgabenbereich von Frauen liegen, systematisch abgewertet – sei es in der Kinderbetreuung, in der Pflege, oder eben im Haushalt. Vor allem aber werden Reinigungskräfte auch gezielt unsichtbar gemacht.

Wenig Anerkennung

In Unternehmen sind sie vielfach aus der Belegschaft und dem Organigramm verschwunden und werden an externe Firmen ausgelagert. Die Reinigungsarbeiten erfolgen separiert vom Normalbetrieb, zeitlich an die Tagesränder verschoben, frühmorgens oder spätabends. Reinigungskräfte sollen ihre Arbeit so erledigen, dass andere Beschäftigte sie nicht wahrnehmen.

Die Nichtbeachtung ist so fest mit dem Berufsbild der Reinigung verbunden, dass sie den Inbegriff des Unscheinbaren in Filmen verkörpern. In Politkrimis und Actionfilmen tarnen sich Spione oder Attentäter mitunter gerne als Putzpersonal, um so bis in die Chefetage zu gelangen – kaum bemerkt und einer ernsthaften Kontrolle gar nicht wert.

"Unattraktive Routinearbeiten in Haushalten der Mittelschicht werden vielfach von migrierten Frauen unter ausbeutenden Bedingungen erbracht."

In Privathaushalten geht es noch weit über die Arbeitszeit und die mangelnde Anerkennung hinaus. Hier werden Reinigungskräfte "schwarz" beschäftigt und systematisch ausgeblendet, es gibt keine offiziellen Statistiken für diese Gruppe. So ist es kaum Thema, dass unattraktive Routinearbeiten in Haushalten der Mittelschicht vielfach von migrierten Frauen unter ausbeutenden Bedingungen erbracht werden und damit moderne Karrieren oft auf einem alten Dienstbotenmodell basieren.

Geduldeter Schwarzmarkt

Die illegale Beschäftigung von zugewanderten Haushaltsarbeiterinnen wird seit Jahrzehnten geduldet und kann mittlerweile als Teil einer Mittelklassenormalität verstanden werden. Laut einer Analyse des Branchenradars hat sich 2018 jeder siebente österreichische Haushalt zumindest einmal Unterstützung von einer Reinigungshilfe geholt. In 97 Prozent der Fälle hat diese "schwarz" gearbeitet. Steuerhinterziehung oder geringe Steuermoral gilt als Kavaliersdelikt. Die Eurobarometer-Daten zeigen für 2014, dass nicht einmal zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher Schwarzarbeit im Privathaushalt verwerflich finden.

Für die sprachlich und räumlich fragmentierten Arbeiterinnen bedeutet das, fremde Privaträume ohne Kündigungs- und Versicherungsschutz, bei schlechter Entlohnung, unsicherer Auftragslage, aufgesplitteten Arbeitszeiten, vielen Wegzeiten, wenig Pausen und in Perioden erzwungener Beschäftigungslosigkeit zu reinigen. Zusätzlich tragen Reinigungskräfte das Risiko der Illegalität sowie Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, von Erkrankungen der Atemwege bis zu Belästigungen. Hinzu kommt, dass Haushaltsdienstleisterinnen im städtischen Umfeld vermehrt Aufträge über internetbasierte Vermittlungsplattformen erhalten, die von ihren Aufträgen mitfinanziert werden und ein sichtbares Konkurrenzverhältnis unter Arbeiterinnen schaffen. Dadurch erhöht sich der Druck, auch ungünstige "Gigs" anzunehmen, die Selbstbestimmung von Reinigungskräften wird eingeschränkt und der Warencharakter ihrer Arbeit befördert.

Neubemessung der Arbeit

An Reinigungskräften zeigen sich lehrbuchmäßig geschlechtsspezifische, ethnisierte und klassenspezifische Verteilungen von Chancen und Risiken. Die irreguläre Beschäftigung in privaten Räumen ist für viele Migrantinnen kein berufliches Wunschziel, sondern Ergebnis von strukturellen Ungleichheitsverhältnissen – und oft der einzige Zugang zu bezahlter Arbeit.

Gesellschaftlich sollten wir uns die Frage stellen, wie wir Arbeitsbeziehungen auf der Haushaltsebene in Zukunft legal und geschlechtergerecht gestalten wollen. Darüber hinaus ist es wichtig, des systematischen Unsichtbarmachens dieser Gruppe entgegenzuwirken und mehr Aufmerksamkeit auf Reinigungskräfte zu legen, auch in der wissenschaftlichen Erforschung. Insgesamt lässt sich festhalten: Reinigung ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass produktives Arbeiten überhaupt möglich ist. Getragen werden die Tätigkeiten überwiegend von migrierten Frauen, denen Rechte und Lohnzahlungen vorenthalten werden. Es ist Zeit für eine neue Bemessung und Verteilung dieser Arbeit. (Laura Wiesböck, 15.6.2022)