In einem partizipativen Forschungsprojekt dokumentierten junge Menschen mit Typ-1-Diabetes ihr tägliches Leben in Bildern.

Foto: Nadine Fink

"Ständiges Dosieren und Spritzen von Insulin, Blutzuckermessen und die Berechnung der Kohlenhydrate: Typ-1-Diabetes fordert Einsatz im Alltag und viel Verantwortungsbewusstsein", erzählt die Schülerin Nadine Fink. Als Teil einer Gruppe junger Diabetikerinnen und Diabetiker hat die 18-Jährige an einem Forschungsprojekt mitgewirkt.

Initiiert wurde dieses von der Fachhochschule Vorarlberg, die damit einen bisher vernachlässigten Forschungsbereich ins Auge fasste: Im Rahmen des Projektes Youngstars 1 werden junge Erwachsene als aktive Partnerinnen und Partner in die Forschung zu Typ-1-Diabetes einbezogen. Besonderes Augenmerk lag dabei auf den Bedürfnissen junger Diabetikerinnen und Diabetiker sowie auf den Herausforderungen, mit denen sie im täglichen Leben konfrontiert sind.

Regelmäßiges Messen des Blutzuckerspiegels gehört für junge Menschen mit Typ 1 Diabetes zum Alltag.
Foto: Nadine Fink

Rund 800.000 Österreicherinnen und Österreicher leiden Schätzungen der Österreichischen Diabetes-Gesellschaft zufolge an der Autoimmunerkrankung Diabetes. Etwa vier Prozent aller Betroffenen leben mit der Diagnose Diabetes Typ 1. Ihrem Körper mangelt es an Insulin, einem in der Bauchspeicheldrüse produzierten Hormon, das für die Verarbeitung von Zucker zuständig ist. Ist dieser Botenstoff nicht ausreichend vorhanden, kann Glukose nicht aus dem Blut in die Körperzellen aufgenommen werden und sammelt sich im Blut an.

Vorurteile und Mobbing

Die Folgen reichen von Gewichtsverlust über Müdigkeit und Antriebsschwäche bis hin zu Übelkeit. Steigt der Blutzuckerspiegel enorm stark an, kann das sogar zu Bewusstlosigkeit führen. Mit der Erkrankung umzugehen erfordert einiges an Aufwand und Kontrolle. Bei Youngstars 1 gingen die Forschenden der Frage nach, wie Angebote zur Diabetesversorgung besser an die Lebenswirklichkeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen angepasst werden können.

Die 18-jährige Schülerin Nadine Fink hielt neben ihrer Insulinpumpe auch den nächtlichen Blutzuckercheck mittels Handy in Bildern fest.
Foto: Nadine Fink

Um diese zu beantworten, wählte das Team die partizipative Photovoice-Methode: Acht Wochen lang hielten die Teilnehmenden wichtige Aspekte ihres Lebens fotografisch fest. Diese Aufgabe wurde sehr unterschiedlich interpretiert, was auch beabsichtigt war, sagt Forschungsleiterin Katrin Paldán. "So konnten die Jugendlichen ihren eigenen Blickwinkel einbringen und uns Nichtdiabetiker:innen Einblick in ihren Alltag gewähren."

Ein Bedürfnis, das die jungen Teilnehmenden verbindet, ist der Wunsch nach mehr gesellschaftlicher Aufklärung. Da ihre Erkrankung oft mit Typ-2-Diabetes verwechselt werde, empfinden die Jugendlichen häufig den Zwang, sich zu erklären. "Die berühmteste Frage, die ich zu hören bekomme, ist: Hast du Diabetes, weil du zu viel Zucker gegessen hast? Ich weiß, es ist Unwissenheit, dennoch nervt es", schreibt die Teilnehmerin Mia Guntermann (16).

Solche Bemerkungen werden mitunter von Mobbingattacken gegen die jungen Betroffenen begleitet. Eine Erkenntnis des Projekts ist daher, dass sowohl Lehrpersonal als auch Schülerinnen und Schüler besser für das Thema sensibilisiert werden müssen.

Als ebenfalls wünschenswert haben die Betroffenen ein entsprechendes Angebot an Gerichten in Schulkantinen hervorgehoben. Nach Paldán wären die Speisen ohnehin für die allgemeine Bevölkerung gesund: "Und Typ-1-Diabetiker:innen werden nicht ausgeschlossen. Sie müssten ihre Schulwahl nicht vom Schulweg abhängig machen – was viele tun, um ihre Mahlzeiten von zu Hause besser zu kontrollieren."

Gegenseitige Hilfe

Als ebenfalls sehr beschwerlich wird der Übergang von der Kinder- zur Erwachsenenambulanz beschrieben. Ein über viele Jahre wohl betreutes Setting wird abgelöst von neuen Organisationsstrukturen. Das gesamte medizinische Prozedere fängt hier wieder bei null an. Zudem seien die Patientinnen und Patienten fortan mit einem belasteten Krankenhauspersonal und Bevormundung konfrontiert.

"Sich auf einmal rechtfertigen zu müssen und nicht als Expert:innen ihrer eigenen Erkrankungen betrachtet zu werden, erachten viele als störend. Den jungen Menschen kann durchaus zugetraut werden, dass sie ihren Körper schon gut kennen", sagt Paldán. Dahingehend trägt das Forschungsprojekt bereits erste Früchte: In einem Informationsgespräch haben Stakeholder und medizinisches Personal versichert, den Übergang von der Kinder- zur Erwachsenenambulanz künftig besser zu gestalten.

Die Projektbeteiligte Edna Ljubuncic (17) hat ihren persönlichen Mehrwert an dem Forschungsprojekt erkannt: "Es war eine gute Gelegenheit, andere Diabetiker kennenzulernen, Freundschaften zu schließen und sich auszutauschen. Die meisten hatten schon länger Diabetes als ich, so konnte ich meine Ernährung mit ihrer vergleichen oder um Hilfe bitten, wenn ich irgendwelche Probleme mit meinem Zucker hatte."

Paldán zeigt sich ebenso erfreut: "Auf Augenhöhe miteinander zu forschen und in ihre Lebenswelt einzutauchen war eine sehr schöne Erfahrung und geht hoffentlich auch noch weiter." Das Projekt wird gemeinsam mit den Partnern Aks Gesundheit GmbH und der Aha Jugendinfo durchgeführt. Gefördert und unterstützt wird es durch das Open Innovation in Science Center der Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft. (Julia Dvorin, 18.6.2022)