Die Reform des Verfassungsschutzes beinhaltet den Umzug vom dritten Wiener Bezirk in den zwölften. In geraumer Zeit soll die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst daher künftig in der Polizeikaserne Meidling residieren.

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Am Dienstagmorgen sorgten Medienberichte über eine entlarvte Terrorzelle und einen vereitelten Anschlag in Österreich – konkret auf den Vienna City Marathon – für Aufsehen. Nur: Soweit bekannt, stand der Marathon nie im Visier eines möglichen Attentäters. Was ist an der Geschichte dran?

Frage:
Um welche Terrorzelle geht es denn überhaupt?

Antwort: Laut Innenministerium (BMI) habe man "aufgrund der internationalen Zusammenarbeit" eine "mutmaßliche Zelle" in Österreich identifizieren können. Nun werde gegen mehrere Personen in ganz Europa ermittelt, auch einen "Österreich-Bezug" gebe es. Hierzulande stehe mindestens eine Person im Fokus, heißt es offiziell.

Frage:
Was geschah mit den mutmaßlichen Terroristen?

Antwort: Soweit bekannt, ist noch nichts passiert. In Haft kam zumindest in Österreich niemand. Auch von etwaigen Razzien war keine Rede. Nach dem Terroranschlag in Wien im November 2020 hätten Verfassungsschützer einen deutlichen Rückgang von IS-Tätigkeiten in Österreich registriert. Nach dem Tod des damaligen IS-Anführers Abu Ibrahim al-Hashimi im Februar 2022 habe man aber wieder mehr Aufrufe zu Racheakten festgestellt. Es gebe europaweit "ein latentes, aber kein konkretes Bedrohungsszenario", wie es aus dem Innenministerium hieß.

Frage: Wer verbirgt sich hinter dem ominösen Terrornetzwerk?

Antwort: Auch das ist unklar. Das Innenministerium gibt sich dazu auf Anfrage des STANDARD zugeknöpft. Die APA schreibt allerdings mit Bezug auf das Ressort: "Bei den in Österreich festgestellten IS-Anhängern handelt es sich um aus dem Irak stammende Personen, welche in der Hochzeit des IS führende Rollen eingenommen haben sollen und nun für die Durchführung der Aufträge zu neuerlichen Anschlägen der obersten IS-Führung in Europa rekrutiert wurden." Die Zelle soll laut Innenministerium "selbstverständlich" überwacht werden. Stellt man in einschlägigen Anwaltskreisen Fragen, so wird klar: Zumindest dort scheint bislang niemand von dieser Terrorzelle gehört zu haben.

Frage:
Was hat es mit dem geplanten Anschlag auf den City-Marathon auf sich?

Antwort: Dazu gehen die beiden Medienberichte, die das Thema aufbrachten, auseinander. Die "Krone" schrieb recht konkret von einem Sprengstoffanschlag auf den Wien-Marathon. Vorbild soll ein terroristischer Angriff auf einen Marathon in Boston im Jahr 2013 gewesen sein. In der Meldung der Nachrichtenagentur APA, die zeitgleich mit der "Krone" einen Text veröffentlichte, hieß es allerdings, die Wiener Sportveranstaltung sei nicht konkret im Blickpunkt des Terrornetzwerks gewesen. Nachdem der Lauf aber eine Großveranstaltung sei, sei die Bedrohung sehr ernst genommen worden. Der Veranstalter des Marathons berichtet aber, man sei vorab wie üblich mit dem Verfassungsschutz in Kontakt gestanden, bei dem sei aber keine Rede von einem konkreten Anschlagsszenario gewesen.

Frage:
Lässt sich nachvollziehen, woher die Informationen kommen?

Antwort: Auffällig ist, dass die Berichte der "Kronen Zeitung" und der APA beinahe zeitgleich veröffentlicht wurden und dennoch der Inhalt unterschiedlich war. Auch wenn das Innenministerium die Geschichte nicht besagten Medien gesteckt haben sollte, kommt dennoch ein Zitat von Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) in den Texten vor, laut dem die Causa als Erfolg verbucht wird. Die Ex-Leiterin des Extremismusreferats im Verfassungsschutz, Sibylle Geißler, wunderte sich auf Twitter vor allem darüber, dass scheinbar die Kommunikation letztlich vor konkreten Maßnahmen erfolgte. (Jan Michael Marchart, David Krutzler, Gabriele Scherndl, 14.6.2022)