Die Teuerung ist beim Einkauf mittlerweile deutlich spürbar. Reicht das Maßnahmenpaket der Regierung als Entlastung?

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Mit der Präsentation ihres Maßnahmenpakets hat die türkis-grüne Koalition am Dienstag eine Welle an Reaktionen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft ausgelöst. DER STANDARD hat vier Expertinnen und Experten zu unterschiedlichen Aspekten der geplanten Reform befragt.

"Abschaffung der kalten Progression ist äußerst positiv"

Monika Köppl-Turyna, Eco Austria

Monika Köppl-Turyna, Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria, hat stets für die Abschaffung der kalten Progression plädiert. Dass die Regierung das Thema nun angeht, sieht sie "äußerst positiv". Der Vorschlag, den die Bundesregierung präsentiert hat, sei aber "natürlich ein politischer Kompromiss".

Monika Köppl-Turyna ist Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria.
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Demnach soll die kalte Progression – also die schleichende Steuererhöhung aufgrund der Inflation – nur zu zwei Dritteln automatisch abgeschafft werden. Das letzte Drittel soll die Politik frei verteilen können. Köppl-Turyna sieht das kritisch. "Wir werden abwarten müssen, wie das dann tatsächlich gelebt wird." Die Expertin versteht aber auch die Gegenargumente: Die Inflation ist für unterschiedliche Einkommensgruppen unterschiedlich hoch. Würde der Staat die kalte Progression zur Gänze automatisch abgelten, könnte er darauf keine Rücksicht nehmen.

Dass die obersten Einkommen von der Reform ausgenommen werden sollen, sei eine "rein politische" Entscheidung, sagt Köppl-Turyna. Relativ gesehen profitieren die unteren und mittleren Einkommensgruppen laut der Expertin ohnehin mehr von der Reform. Menschen, die weniger als 11.000 Euro verdienen und damit keine Steuern zahlen, haben aber natürlich nichts davon.

"Preispfad bei Sprit muss verlässlich nach oben gehen"

Karl Steininger, Wegener Center Graz

Klimaökonom Karl Steininger vom Wegener Center in Graz zeigt sich vom Umfang des "Geld-zurück-Pakets" einigermaßen überrascht. Insbesondere vermisst er die klare Ansage, dass der Preispfad auch bei einer Verbilligung von Rohöl weiter nach oben geht. Und wie? Indem die CO2-Komponente stärker angehoben wird, was auch im Sinne besserer Planbarkeit für Konsumenten und Konsumentinnen wäre.

Karl Steininger ist Klimaökonom am Wegener Center in Graz.
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Dass die CO2-Bepreisung fix von Juli auf Oktober verschoben wird, sei aufgrund der aktuell hohen Preise okay. Wichtig für die Glaubwürdigkeit sei es, dass es im Herbst keine weitere Verschiebung gibt, sollte sich die geopolitische und wirtschaftliche Situation ähnlich darstellen wie heute. Der Preissprung an den Zapfsäulen von 1,30 auf 2,0 Euro macht ein Vielfaches dessen aus, was als Folge des Zuschlags von 30 Euro je Tonne CO2 berechnet worden ist: 8,0 bis 9,0 Cent pro Liter Diesel bzw. Benzin, die Mehrwertsteuer schon eingerechnet.

Dass beim Klimabonus (250 Euro für alle plus 250 Euro einmalig als Ausgleich für die allgemeine Teuerung) keine regionale Differenzierung vorgenommen und auch kein Einkommensdeckel eingezogen wurde, sei schwer verständlich und nicht notwendig. Steininger: "Zu suggerieren, wir geben allen alles zurück, ist die falsche Botschaft."

"Die Hilfe verpufft zu rasch"

Dominik Bernhofer, Arbeiterkammer

Das Paket entlastet Menschen mit geringem Einkommen, die Hilfe verpufft jedoch zu rasch, sagt Dominik Bernhofer, Steuerexperte der AK. Mit Klima- und Familienbonus wie Absetzbeträgen bestehe jene zu wesentlichen Teilen aus Einmalzahlungen. "Doch die Preise und Kosten werden langfristig hoch bleiben, selbst wenn die Inflationsrate wieder sinkt." Die Entlastung sei daher nicht nachhaltig.

Dominik Bernhofer ist Steuerexperte bei der Arbeiterkammer.
Foto: AK WIEN / ERWIN SCHUH

Strukturelle Maßnahmen wie die Indexierung der Familienbeihilfen hätten fürs Einkommen nur wenig Gewicht. Von der Abschaffung der kalten Progression profitierten vor allem Besserverdiener. Um die akute Gefahr, in die Armutsspirale abzurutschen, zu bannen, dafür habe die Regierung zu wenig getan, kritisiert Bernhofer: Dringend nötige Verbesserungen bei Arbeitslosengeld, Sozial- und Notstandshilfe fehlten.

Was der Experte zudem vermisst, sind Instrumente, um die starke Teuerung zu mildern. Weder wurde eine befristete Senkung der Mehrwertsteuer bei Lebensmitteln beschlossen noch eine Mietpreisbremse eingezogen oder der Energiepreis gedeckelt. Nicht angetastet habe die Regierung auch die Gewinne der Energiebranche, was das Budget und damit den Steuerzahler geschont hätte. "Man wollte sich offenbar mit gewissen Interessengruppen nicht anlegen."

"Ein Großteil des Geldes fließt wieder in den Konsum"

Hanno Lorenz, Agenda Austria

Bis zu 30 Milliarden Euro will die Regierung für ihr Entlastungspaket in die Hand nehmen. Sechs Milliarden davon veranschlagt sie für schnelle Maßnahmen wie den Klimabonus, den Rest für die Abschaffung der kalten Progression. Wird das Paket nun ein Loch ins Budget reißen?

Hanno Lorenz ist Ökonom beim Thinktank Agenda Austria.
Foto: Elke Mayr

"Eher nicht", sagt Hanno Lorenz, Ökonom bei der wirtschaftsliberalen Denkfabrik Agenda Austria. Derzeit sei schwer abschätzbar, wie viel die Abschaffung der kalten Progression tatsächlich kosten werde. Schließlich sei dies von der weiteren Entwicklung der Inflation abhängig. "Die 30 Milliarden sind aber eher die Obergrenze", sagt Lorenz. Dazu kommt, dass mit der Teuerung auch die Einnahmen des Staates steigen. Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) will so rund 50 Prozent des Volumens finanzieren. Ein weiteres Drittel sollen Konsumeffekte in die Kassen spülen. Aus Sicht des Experten ist davon auszugehen, dass die Menschen einen Großteil des Geldes wieder ausgeben.

Übrig bleiben vier bis fünf Milliarden Euro, die laut Lorenz nicht in Schulden enden, sondern zu Einsparungen führen sollten. Bei Krediten müsse der Staat künftig vorsichtiger sein: Die Zentralbank könnte in absehbarer Zeit die Zinsen erhöhen. Dann wird geliehenes Geld wieder teurer. (Verena Kainrath, Jakob Pflügl, Günther Strobl, 14.6.2022)