Bei seiner letzten Strafverhandlung am 24. Mai wurde Alexej Nawalny aus der Strafkolonie Pokrow zugeschaltet.

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London – Der seit 2021 inhaftierte russische Regierungskritiker Alexej Nawalny ist in eine andere Strafkolonie verlegt worden. Sie habe "keine weitere Information darüber", wohin er genau gebracht werde, twitterte Nawalnys Vertraute Maria Pewtschich am Dienstag. Nawalny war demnach nicht zu einem geplanten Treffen mit seinen Anwälten erschienen. Der 46-Jährige hatte sich bisher in der Strafkolonie im hundert Kilometer von Moskau entfernten Pokrow befunden.

Diese gilt als eine der Kolonien mit den härtesten Bedingungen in Russland. Eine Anwältin Nawalnys sagte der russischen Nachrichtenagentur Tass, in Pokrow sei gesagt worden, dass Nawalny in eine "Strafkolonie mit strengen Bedingungen" verlegt worden sei.

Eine leitende Mitarbeiterin des von Nawalny gegründeten "Fonds zur Bekämpfung von Korruption" berichtet auf Twitter von Nawalnys Verschwinden.

Russische Behörden schwiegen zunächst

Die Anwältin ergänzte, dass die Verlegung mit dem jüngsten Urteil gegen Nawalny zusammenhänge. Ein Gericht erhöhte die Haftstrafe gegen den Oppositionellen im Mai auf neun Jahre, nachdem es ihn wegen der Veruntreuung von Spenden für seine politischen Organisationen verurteilt hatte. Seine erste Verurteilung beruhte auf Betrugsvorwürfen. Nawalny weist alle Vorwürfe zurück und hält sie für politisch motiviert.

Die russischen Behörden gaben keine Informationen zum neuen Aufenthaltsort bekannt. Nawalnys Unterstützer nehmen an, dass die Haftbedingungen dort härter als in Pokrow sind.

Anwälte wurden laut Sprecherin nicht informiert

"Solange wir nicht wissen, wo Alexej ist, bleibt er auf sich selbst gestellt gegenüber einem System, das bereits versucht hat, ihn umzubringen", schrieb seine Sprecherin Kira Jarmysch im Online-Dienst Telegram. "Unsere wichtigste Aufgabe ist es jetzt, ihn zu orten." Weder Nawalny selbst noch seine Anwälte oder seine Familie waren laut Jarmysch über seine Verlegung informiert worden.

Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch kritisiert auch auf Twitter den Transfer Nawalnys in eine Hochsicherheitsstrafkolonie, diese sei "wesentlich furchteinflößender".

Der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti zufolge wurde Nawalny in die Strafkolonie Nummer sechs in der Region Wladimir, unweit der Hauptstadt Moskau, verlegt. Das habe Sergej Jaschan, der Vorsitzende der Kommission für öffentliche Aufsicht der Region, gegenüber der Agentur erklärt.

Nawalny war im Jänner 2021 bei seiner Rückkehr aus Deutschland auf dem Flughafen von Moskau festgenommen worden. Zuvor war er in Berlin wegen einer in Russland erlittenen Vergiftung mit einem Nervengift der Nowitschok-Gruppe behandelt worden, für die er den russischen Präsidenten Wladimir Putin verantwortlich macht. (APA, red, 14.6.2022)