Wer Dienstagfrüh die Kronen Zeitung las, bekam eine Erfolgsmeldung serviert. "Schläferzelle enttarnt", hieß es da. "Terror-Katastrophe bei Wien-Marathon vereitelt". Das Boulevardblatt setzte die Geschichte sogar auf ihr Titelblatt, illustriert mit Läuferinnen und Läufern auf der Wiener Reichsbrücke. Der "Islamische Staat" (IS) soll in der Hauptstadt neuerlich einen Anschlag geplant haben. Bedrückende Erinnerungen an den 2. November 2020 werden wach. Was Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) später als "Erfolg" verkaufte, birgt aber auch eine gefährliche Note.

Innenminister Gerhard Karner (ÖVP).
Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Zunächst lässt einen die Nachricht ratlos zurück. Zeitgleich berichtete nämlich auch die APA über die mutmaßliche IS-Zelle. Doch da heißt es, dass der Marathon gar nicht im Fokus gestanden sei. Es habe sich um eine potenzielle Bedrohung gehandelt, lautet der Wortlaut des Innenressorts. Man erfährt zudem, dass die Ermittlungen eigentlich noch laufen, unter anderem in Richtung Terrorismusfinanzierung.

Völlig unklar ist zudem, warum der Gefährder, der sich in Österreich aufhalten soll, nicht in Haft ist. Immerhin soll die Zelle ja Anschläge planen.

Diese erratische Kommunikation ist merkwürdig und der Zeitpunkt eine potenzielle Gefahr für die Ermittlungen. Ob das Ministerium die Geschichte selbst geleakt hat oder sie aus anderer Quelle stammt, ist egal. So versetzt man bei aller Bedeutung des Themas eine Gesellschaft in Angst und Schrecken. (Jan Michael Marchart, 14.6.2022)