Künstliche Intelligenz ist ein Kernelement von Digitalisierung, in der geplanten Linzer Uni für Digitalisierung kommt sie nicht vor.

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Die "Technische Universität für Digitalisierung und digitale Transformation" in Linz hat nun also einen Namen: Das "Institute of Digital Sciences Austria" soll "eine neue innovative Universität" werden, erklärte Minister Martin Polaschek. Laut Konzept will sie "neue Zielgruppen" ansprechen, für die "Anwendung im Vordergrund" steht, um dann "führende Ingenieur:innen, digitale Gestalter:innen und Unternehmer:innen" zu werden. Oder: "Fachleute für die europäische Hightech-Sphäre." Vereint durch die "gemeinsame Geisteshaltung, 'the next big thing' zu realisieren", und das Ziel, "Know-how in Produkte und Dienstleistungen umzusetzen". Auf dem Weg dahin, versprechen die Masterminds hinter der Digital-Uni, werden die ersehnten "Start-ups, die vielleicht die Welt verändern können", bei der "Kapitalisierung von Wissen" tatkräftig unterstützt.

Das kann man schon alles so machen. Nur eine richtige Universität beschreibt das nicht. Sinnigerweise wird die "innovative Uni" auch nicht dem Universitätsgesetz unterworfen sein, die Studierenden dürfen aber in die ÖH.

Anwendung braucht Grundlagenforschung

Es ist an sich nichts daran falsch, anwendungsorientierte Forschung zu betreiben und der Industrie genügend hochqualifizierte Absolventinnen und Absolventen zuzuliefern. Aber vorrangige Aufgabe einer Universität ist etwas anderes – nämlich exzellente Forschung und forschungsgeleitete Lehre. Es sei daran erinnert, dass viele weltverändernde Innovationen aus der Grundlagenforschung entstanden sind, die eben keinem definierten Zweck folgt, sondern nur in absoluter Freiheit und ohne Kapitalisierungsdruck im Hinterkopf die Expedition in unbekanntes Terrain wagen können muss, um eines Tages – vielleicht, aber auch nicht – auf existenzielle Erkenntnisse zu stoßen.

Digitalisierung ist unzweifelhaft so ein Phänomen. Sie durchdringt unser aller Leben. Wer aber meint, sie wäre eine Aufgabe, die eine Themen-Uni erledigen soll, verkennt die vielfältigen digitalen Herausforderungen. In Linz will man sie kleinschrumpfen auf marktfähige, praxisnahe Bachelor-Häppchen: Digital Creativity, Digital Entrepreneurship, Digital Systems und Digital Engineering.

Digitalisierung wird längst an Unis beforscht

So wie die "Institute"-Uni konzipiert ist, ist sie auch ein fachlicher Affront gegenüber den bestehenden Unis, die schon lange an Digitalthemen arbeiten. Zumal an der JKU Linz, der man womöglich das digitale Herz mit den Hochkarätern aus der künstlichen Intelligenz und Mechatronik herausreißen könnte, um der "Uni" in der Uni (sie soll ja am JKU-Campus entstehen) Leben einzuhauchen.

Das wäre verhängnisvoll für Österreichs gesamte Uni-Landschaft, international blamabel und ein Beweis für politisches Versagen. Auf jeden Fall eine vergebene Chance.

Zum Vergleich: Bayern stellt für die im Vorjahr gründete Technische Universität Nürnberg (TUN) – sie soll im Vollausbau wie die Linzer Neugründung rund 5.000 Studierende betreuen – ein Investitionsbudget von 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Für die Gründungsphase des Linzer Projekts sind bis 2025 insgesamt 53 Millionen Euro vorgesehen. Das staatliche Budget der zwei Eidgenössischen Technischen Hochschulen in Zürich und Lausanne betrug im Vorjahr 1,9 Milliarden Euro. Österreichs 22 Universitäten müssen sich aktuell pro Jahr 4,1 Milliarden teilen.

Kein Stoff für politische Hinterzimmerdeals

Wissenschaftspolitik ist so komplex, dass sie nicht für Hinterzimmerdeals unter Parteifreunden taugt. Es wäre eine schöne Überraschung, wenn die Regierung doch noch aus echtem Interesse an Wissenschaft und Forschung mit relevanten Gruppen aus der Scientific Community das beste Modell für einen wirklich substanziellen Ausbau des Unisektors suchen würde, statt auf Bestemm ein provinzielles Prestigeprojekt durchzusetzen, das mehr Schein als Sein verheißt. (Lisa Nimmervoll, 15.6.2022)