Bevor die ausdauernden, genügsamen Mulis beim römischen Vorstoß mitgenommen wurden, hat man in den Gebieten nördlich der Alpen nur Pferde als Reit- und Packtiere genutzt.

Foto: EPA/JuanJo Martín

Von alters her wurde nördlich der Alpen auf Pferden geritten. Maultiere und Maulesel– eine Kreuzung aus Pferd und Esel – waren dort bis zum Ende der Eisenzeit praktisch unbekannt. Nun liegen Beweise vor, dass die Römer die Mulis im ersten Jahrhundert über die Berge in den Norden gebracht haben: Das berichtet ein österreichisch-deutsches Forscherteam anhand von Analysen archäologischer Überreste, konkret von alter DNA und Zähnen der Tiere, im "Journal of Archaeological Science".

Die Frage, wann Maultiere für die Menschen nördlich der Alpen wirtschaftliche und militärische Bedeutung erhielten, konnte bisher nicht sicher beantwortet werden. Grund dafür ist, dass es selbst für Experten schwierig ist, archäologische Überreste der verschiedenen Vertreter der Pferde-Familie (Equiden) voneinander zu unterscheiden. Denn die meisten Skelettteile der Tiere aus dieser Gruppe sind sich zu ähnlich, um sie eindeutig zu unterscheiden.

Erbgut aus dem Norden

Ein Team um Elmira Mohandesan vom Institut für Evolutionäre Anthropologie der Universität Wien, dem auch Forscher der Uni München und der Staatssammlung für Paläoanatomie München angehörten, hat nun in einer Studie noch vorhandenes Erbgut aus Überresten von mehr als 400 Equiden untersucht. Sie stammten aus einer keltischen und sieben römischen Siedlungen in den nördlichen Provinzen des Römischen Reichs, Rätien, Noricum und Pannonien.

Die Ergebnisse dieser Analysen von alter DNA verglichen sie mit solchen, die mit klassischen Methoden zur Artbestimmung gewonnen wurden. Diese nutzen dafür etwa Form und Größe von Unterkieferzähnen und bestimmten Knochen. Dabei konnten sie zeigen, dass sich Maultiere nicht nur anhand alter DNA identifizieren lassen, sondern insbesondere auch durch ihre vorderen Backenzähne (Prämolaren).

3D Ansicht des linken Talus (Sprungbeinknochen) eines Maultieres aus der Staatssammlung für Paläoanatomie München.
Illustr.: Michaela Zimmermann, LMU

Tiere für die Eliten

Den Analysen zufolge, fanden sich Überreste von Maultieren nur in den römischen Siedlungen. In den keltischen Siedlungen im nördlichen Alpenvorland wurden dagegen bis zum Ende der Eisenzeit etwa im ersten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung ausschließlich Pferde gezüchtet. Bei den Kelten galten diese als "Tiere für die Elite" und sie wurden vor allem bei Militäreinsätzen verwendet. Erst als die Römer kurz vor der Zeitenwende in die Gebiete nördlich der Alpen vordrangen und sich dort ansiedelten, brachten sie aus dem Mittelmeerraum auch Maultiere mit.

Diese waren als Pack- und Arbeitstiere hoch angesehen. Obwohl Maultiere unfruchtbar sind, würden sie bis heute wegen ihrer Kraft, Ausdauer, Trittsicherheit und ihres ausgeglicheneren Temperaments geschätzt, schreiben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter in ihrer Arbeit. Sie seien im Vergleich zu Pferden genügsamer, widerstandsfähiger gegen Krankheiten und hätten eine längere Lebenserwartung.

Einträgliches Geschäft

Die Maultierzucht dürfte aber in Mitteleuropa aufgrund der klimatischen Bedingungen nicht geklappt haben. So hätten geochemische Analysen von im römischen Militärdienst genutzten Maultieren gezeigt, dass die Tiere zunächst in wärmeren Regionen aufgewachsen sind, bevor sie über die Alpen gebracht wurden. Zuchtzentren dürfte es also primär südlich des Alpenhauptkamms gegeben haben. Wobei den Forschern zufolge die Zucht von Maultieren ein lukrativer Wirtschaftszweig gewesen sein dürfte, "wenn man bedenkt, dass in den von uns untersuchten römischen Populationen jeder sechste Equide ein Maultier war". (red, APA, 15.6.2022)