Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner beim ÖVP-Bundesparteitag Mitte Mai. Seither erklärten mit Hermann Schützenhöfer und Günther Platter zwei seiner Kollegen ihren Rückzug als Landeschefs. Wallner, der durch die Wirtschaftsbund-Affäre in seiner größten Krise steckt, will bleiben.

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Langsam gibt auch die ÖVP selbst zu, dass die Wirtschaftsbund-Affäre vielen Wählerinnen und Wählern wohl doch nicht ganz egal ist. Denn die Umfragewerte gingen in den letzten Wochen merklich hinunter. Nun veröffentlicht die Partei auf ihrer Website einen "Faktencheck" und erklärt diesen so: Aufgrund der Vorkommnisse – gemeint ist die Causa Wirtschaftsbund – "hat das Bild der Vorarlberger Volkspartei in der Öffentlichkeit Schaden genommen. Wir entschuldigen uns dafür". Außerdem bedaure man, dass die Arbeit von Funktionären "ungerechtfertigt belastet" sei. Die Partei setze auf vollständige Aufklärung und volle Transparenz für die Zukunft: "Wir haben nichts zu verbergen."

Die ÖVP hat aber offenbar auch nicht alles offenzulegen – denn unter dem Titel "Faktencheck" wird eine sehr selektive Auswahl an Infos über die Causa präsentiert. Bei weitem nicht alle wesentlichen Punkte der Affäre, die sich um die Teilorganisation der Partei in Vorarlberg dreht, werden thematisiert. Und bei den Aspekten, die aufgeworfen werden, fehlen oft wichtige Punkte.

Darlehen Thema, Lebensversicherung nicht

So erfahren die Leser etwa, dass Darlehen an Dienstnehmer grundsätzlich legal seien – Ex-Direktor Jürgen Kessler erhielt auf diesem Weg bekanntlich 250.000 Euro. Dass es aber auch Fälle von großzügiger Selbstbedienung auf Direktorenebene gab, die wohl kaum legal waren, wird verschwiegen. Kesslers Vorgänger, Walter Natter, gab bekanntlich via Selbstanzeige etwa zu, von Wirtschaftsbund-Konten in seine private Lebensversicherung eingezahlt zu haben. Und bezüglich der 250.000 Euro Darlehen für Kessler wird zwar vermerkt, dass diese "alsbald zurückgezahlt" würden, dass in der dünnen Vereinbarung zwischen ihm und dem Wirtschaftsbund aber nur wenig konkrete Regelungen dafür vorgesehen und beispielsweise weder Sicherheiten noch Zinsen vereinbart wurden, fehlt im Faktencheck ebenso. Neben dem Darlehen und der Lebensversicherung hatten die Finanzprüfer auch Fragen zum Umgang mit Dienstautos beim Wirtschaftsbund.

Rätselraten um "anonyme Anschuldigungen"

Neben dem Darlehen für Kessler thematisiert die ÖVP auch die "mediale Veröffentlichung anonymer Vorwürfe" gegen Landeshauptmann Markus Wallner und das dadurch ausgelöste Ermittlungsverfahren gegen ihn. Wie bereits mehrfach medial und auch vor dem Untersuchungsausschuss dargelegt, ist auch im Faktencheck die Rede von einer Lüge, Wallner behalte sich rechtliche Schritte vor.

Am Mittwoch brachte die Vorarlberger SPÖ zu diesem Thema eine Anfrage ein – die Abgeordneten wollen unter anderem wissen, wie viele Betriebsbesuche Wallner seit 2016 mit Kessler oder Natter gemacht hat und welche Firmen besucht wurden. In der eidesstattlichen Erklärung des Managers, dessen Namen nur die "Vorarlberger Nachrichten" kennen, ist von einem Termin 2018 die Rede. DER STANDARD ersuchte das Büro des Landeshauptmanns schon vor mehreren Wochen um eine Liste der Betriebsbesuche zum fraglichen Zeitraum, allerdings kam auf die Medienanfrage nur eine Absage: Man werde keine Liste von Betriebsbesuchen verschicken.

Keine Rede mehr von "Routinetausch"

Außerdem werden "Fakten" bezüglich der Unterstützungen durch den Wirtschaftsbund für Ortsgruppen und Partei präsentiert und der Handy beziehungsweise Tablet-Tausch des Landeshauptmanns thematisiert. Es sei nichts gelöscht worden, das alte Handy befinde sich weiterhin bei Wallner. Und: Im Zuge des Wechsels vom alten Handy zum neuen Gerät seien "Erkundigungen über den Umgang mit zurückgegebenen IT-Geräten bei der Abteilung Informatik eingeholt" worden, "sensibilisiert durch die aktuelle mediale Berichterstattung im Hinblick auf Missbrauch und gestohlene Handydaten sowie hinsichtlich des Datenschutzes und der rechtlich vorgegebenen Wahrung der Rechte betroffener Dritter". Zweck sei es gewesen, "lediglich den Standardvorgang nachvollziehen zu können".

Diese Argumentation war auch in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage an Wallner zu lesen, zuvor sprach der Landeshauptmann medial oft von einem "Routinetausch", davon war keine Rede mehr. Wohl nicht ohne Grund: Der für die IT-Abteilung zuständige Landesrat Daniel Zadra, der bekanntlich die Ermittlungsbehörden über die Aktion Wallners informierte, betonte in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage an ihn, dass es einen Routinetausch auch gar nicht gebe. Außerdem schreibt Zadra, Wallner habe sein Handy nicht der IT zur Löschung übergeben wollen, wie das normalerweise passiert, sondern erst eine Woche später das bereits gelöschte Gerät der Abteilung übergeben wollen – die Opposition erkannte darin wiederum "höchst unübliche Vorgänge".

Ungewöhnliches Format

Warum der Beitrag überhaupt mit Faktencheck betitelt wird, ist unklar. Normalerweise bedienen sich Journalistinnen dieses Formats, wenn die Aussagen von Politikern überprüfenswert, weil unglaubwürdig, erscheinen – der Sinn des Faktenchecks ist es also, die Aussagen zu überprüfen und damit zu zeigen, ob es sich um falsche Infos handelte. Ob die ÖVP der Meinung ist, dass medial Falschinformationen über die Causa verbreitet werden, geht aus dem Beitrag nicht hervor. Dass man sich eines Faktenchecks bedient, deutet aber immerhin auf eine Unzufriedenheit mit der medialen Darstellung hin.

Wirtschaftsprüfer bald fertig

Während die Betriebsprüfung im Wirtschaftsbund weiterhin andauert, wird in der freiwilligen Wirtschaftsprüfung durch die Kanzlei BDO dieser Tage ein Zwischenbericht erwartet. Der interimistische Obmann der ÖVP-Teilorganisation, Ex-Landesrat Karlheinz Rüdisser, will dabei Zweckmäßigkeit und Rechtmäßigkeit der Einnahmen und Ausgaben im Zeitraum der vergangenen fünf Jahre vor dem Hintergrund der in der Satzung des Wirtschaftsbunds verankerten Ziele und Aufgaben analysieren lassen und sei natürlich auch gespannt auf Verbesserungsvorschläge durch die Prüfer aus Wien und nehme diese dann gerne auf. Ganz abgeschlossen sein soll die Prüfung Ende des Monats – da die Kanzleien selbst keine Auskünfte über die Prüfungen erteilen dürfen, liegt es auch dann wieder an der ÖVP, die Fakten dieses Checks zu präsentieren. (Lara Hagen, 15.6.2022)