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Als am Mittwochabend der Aufsichtsrat der Erste Group zusammenkam, um einen neuen Vorstandschef für die börsennotierte Bank zu wählen, war schon so gut wie klar, wer das sein wird: Willibald Cernko, bislang im Vorstand der Erste Bank Österreich. Gegen 21 Uhr kam dann die Aussendung des Instituts: Cernko wird die Bank ab 1. Juli führen. Er soll das Institut bis Ende 2024 leiten. Für danach wird eine neue Kandidatin oder ein neuer Kandidat für den Vorstandsvorsitz gesucht, im Rahmen einer internationalen Ausschreibung.

Altersmäßig schafft der gebürtige Steirer den Sprung in die Führungsposition gerade noch. Gemäß den internen Statuten der Erste Group dürfen nur bis 65-Jährige in den Vorstand einziehen, im Aufsichtsrat liegt das Alterslimit bei 70 Jahren. Cernko wird in der ersten Juli-Woche 66, damit geht sich der Wechsel in der Group-Vorstand gerade noch aus.

Von der Group in die Österreich-Bank

Den kennt Cernko eigentlich schon: Von 2017 bis Juli 2019 war er Risikovorstand der Erste Group, danach wechselte er als Firmenkundenvorstand in die Erste Bank Österreich, deren Vizechef er auch ist.

"Ich freue mich sehr, dass wir mit Willi Cernko einen kundennahen, erfahrenen und bestens vernetzten CEO für die Erste Group gefunden haben", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende der Erste Group, Friedrich Rödler, am Mittwoch laut Aussendung. "Ich übernehme den Vorsitz einer hervorragend geführten und stark aufgestellten Bankengruppe und freue mich sehr über diese neue Aufgabe", wird Cernko zitiert.

Führungskrise in der Ersten

Nötig wurde das alles, weil der bsiherige Erste-Group-CEO Bernd Spalt vor kurzem unerwarteterweise bekannt gegeben hat, dass er seinen Vertrag nicht mehr verlängern lassen wolle. Wie berichtet gab es davor Auffassungsunterschiede über die Strategie, personelle Spannungen kamen dazu. Risikoexperte Spalt, der seine Karriere vor 32 Jahren bei der Ersten begonnen hatte und jahrelang in diversen Ost-Töchtern tätig war, ist 2020 auf den langjährigen Erste-Chef Andreas Treichl gefolgt. Zuletzt wurde die Stimmung aber immer schlechter, wie zu hören ist, auch mit Treichl. Er prägt das Haus immer noch und ist von gewichtiger Bedeutung – ist er doch Aufsichsratsvorsitzender der Erste Stiftung, der größten Aktionärin des Instituts.

Auf den Ausstieg Spalts war freilich niemand vorbereitet, es geschah, was in der vergangenen Jahrzehnten noch nie geschehen ist: Die Bank geriet in eine Führungskrise. Auf einen fixen Nachfolger für Spalt wie etwa Vorstandsmitglied Stefan Dörfler konnte man sich nicht einigen und der, den Treichl sich immer vorstellen konnte, ist derzeit nicht verfügbar: Peter Bosek, einst Chef der Erste-Bank-Österreich, leitet die estnische Bank Luminor, die er an die Börse führen soll. Bis dahin steht Bosek nicht zur Verfügung, nicht zuletzt ist mit einer erfolgreichen Börsenplatzierung auch ein Riesenbonus für den Chef verbunden.

Warten auf den Ex-Kronprinz?

Bosek hatte sich lang Hoffnung auf die Treichl-Nachfolge gemacht und galt auch lang als dessen Favorit, letztlich nahm man dann aber den wesentlich zurückhaltenderen Vorarlberger Spalt. In zwei Jahren könnte Bosek dann ja zur Verfügung stehen, so dürfte ein Kalkül der Erste-Verantwortlichen lauten, bzw. jenes von Treichl.

Der hat vorübergehend daran gedacht, selbst in den Chefsessel zurückzukehren. Dieser sein Plan sei aber an Treichls Alter (er wird dieser Tage 70) gescheitert, wird nicht nur in Aufsichtsratskreisen kolportiert. Treichl selbst gibt keine Stellungnahme zu alledem ab.

Cernko kam von Erzfeind

Cernko hätte sich vor 2016 wohl nicht träumen lassen, dass er dereinst oberster Chef der Erste Group werden könnte. Er war fast Zeit seines Berufslebens in der Creditanstalt und dann in der Bank Austria – die nichts weniger ist als der Erzrivale der Ersten. Die Fights der beiden Banken und ihrer einstigen Chefs – Treichl da und Gerhard Randa dort – sind legendär.

2009 wurde Cernko Vorstandschef der Bank Austria, 2016 aber haben ihn deren italienische Eigentümern recht uncharmant und eher überfallsartig abgelöst. Wenig später holte Treichl den stets sehr kundennahen Banker auf die andere Seite, in die Erste.

Kampf um Spartenobmann

Durch Spalts Ausscheiden wird freilich ein weiterer Posten frei: der des Spartenobmanns Banken in der Wirtschaftskammer. Auch diesen Job hatte Treichl inne, auch da folgte ihm Spalt. Vor 2015 hatte Raiffeisen 18 Jahre lang den Obmann gestellt, in Person von Walter Rothensteiner. Davor war es die Bank Austria gewesen. Im Juni 2020, nach Treichl, kam es zu einem Machtkampf zwischen den Sektoren, Raiffeisen bzw. Bank Austria wollten den Job. Treichl (Sparkassensektor) hatte Bosek vorgeschlagen, den aber weder Bank Austria, noch Raiffeisen akzeptierten. Nach langem Tauziehen einigte man sich dann auf Spalt.

Jetzt wird der Obmann-Posten dem Sparkassensektor wohl abhandenkommen. Raiffeisen und Bank Austria haben schon eine Allianz gebildet, wie zu hören ist. Diesen Job dürfte Cernko also nicht bekommen. (Renate Graber, 15.6.2022)

*Der Artikel wurde um 21 und um 23.30 Uhr aktualisiert.