Wenn vorher schon Väterbeteiligung gefördert wird, könnte das Konflikte bei Trennungen vermeiden.

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Die Familienrechtsreform wird kommen, so viel steht fest. Offen ist hingegen, wann genau und wie sie im Detail aussieht. Trotzdem wird bereits laufend Kritik an der Reform laut. Seit über einem Jahr wird in einer Arbeitsgruppe mit Interessenvertreter:innen und Expert:innen diskutiert, welche geplanten Änderungen richtig und gut wären – und welche nicht. Mit dabei sind auch Alleinerziehendenverbände und feministische Vereine. Von Letzteren wird seit Monaten Kritik an Reformplänen geübt, die das Justizministerium noch nicht kommentieren will. Der Arbeitsprozess sei nicht abgeschlossen, vieles sei noch in Diskussion.

Vonseiten des Vereins Feministische Alleinerzieherinnen (Fema) und Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser, heißt es indessen wiederholt, die Reformpläne würden das Selbstbestimmungsrecht der Frauen gefährden. Mit den Plänen zu einer "Stärkung der geteilten elterlichen Verantwortung" hätte man vor allem dem Druck antifeministischer Väterrechtler nachgegeben. Frauen könnten nicht mehr wegziehen und wären gezwungen, in der Nähe des Vaters bleiben.

Entgegen den feministischen Alleinerzieherinnen und anderen Frauenvereinen sieht die "Plattform Alleinerziehende" in den Reformplänen wichtige Änderungen, die Frauen viele Vorteile brächten. So sind mit 86 Prozent Mütter in Österreich deutlich mehr als Väter. Zudem dürfe man den Tenor von Kindern und Jugendlichen, die auch im Reformprozess involviert sind, nicht vergessen, sagt Doris Pettighofer von der Plattform. Denn die meisten Kinder wollen, dass sich beide Eltern um sie kümmern. Ist Gewalt in Spiel, läge der Fall freilich anders – hier müsste man gut auf die Expertise von Gewaltschutzexpertinnen hören.

Besser für gleichteilige Betreuungsmodelle

Der Arbeitsschwerpunkt der Plattform Alleinerziehende liegt bei Unterhaltsregelungen und Existenzsicherung und hat als Teil der Arbeitsgruppe im Justizministerium genau diese Aspekte im Fokus. Derzeit seien vor allem Gewalt und Obsorge-Aspekte im Zuge der Reform in den Vordergrund getreten, sagt Doris Pettighofer. Doch die alte Forderung nach einer Unterhaltssicherung für Kinder sowie die finanziellen Leistungen für die Familien dürften nicht untergehen.

Bei der Plattform sieht man in der Reform eine Chance für eine gute Neuregelung der Unterhaltsbemessung und Betreuungsmodelle, bei denen beide Eltern die Kinder gleichteilig betreuen. Denn derzeit gibt es für sie einige Stolpersteine, die vor allem Frauen zu spüren bekommen: So kann etwa jeder zusätzliche Betreuungstag jenes Elternteils, der das Kind weniger betreut, eine Unterhaltsverminderung für den anderen Elternteil bedeuten, der das Kind vorwiegend betreut. Nach den Neuerungen soll das nicht mehr der Fall sein und eine Unterhaltsreduktion erst bei gleichteiliger Betreuung ab über einem Drittel Betreuungszeit möglich werden. "Der Unterhalt ist ein wesentlicher Bestandteil einer alleinerziehenden Familie, wenn der wegbricht, ist die Familie in höchster Not", deshalb sei eine Unterhaltsreform so dringend, so Pettighofer.

Auch für das Doppelresidenzmodell sieht Pettighofer in der geplanten Reform Verbesserungen: Für die Unterhaltsbemessung im Doppelresidenzmodell gibt es derzeit nur OGH-Urteile, die eine Vorlage für die gerichtliche Praxis abgeben. Diese hat sich darauf festgelegt, dass bereits bei Einkommensunterschieden von 30/70 der Geldunterhalt entfallen kann. Die Plattform fordert, dass erst bei gleichen Einkommensverhältnisse ein Unterhaltsentfall möglich sein soll. Das wäre für viele Frauen von Vorteil, die dieses Modell leben. Auch habe man sich bisher viel zu wenig um Familien gekümmert, in denen Kinder in zwei Haushalten aufwachsen. Bisher musste das Kind in einem Haushalt hauptgemeldet sein, obwohl es womöglich gleichberechtigt in beiden Haushalten aufwächst. In dem Fall brauchen laut Plattform beide Haushalte dieselben Ressourcen, damit das Kind gut und seinen Bedürfnissen entsprechend erzogen werden kann.

Streit um Obsorge

Ein weiterer Punkt, der an den Reformplänen immer wieder kritisiert wird, ist die Obsorge. Der Begriff der "Obsorge" soll künftig aus dem Familienrecht gestrichen werden. Aus Sicht der Plattform ist er tatsächlich verwirrend und veraltet. Denn Obsorge regelt letztlich nur die Vertretung des Kindes. Doch auch bei der gemeinsamen Obsorge gebe es nur vier Bereiche, wo es das Einverständnis beider Eltern braucht: bei der Staatsbürgerschaft, beim Religionsbekenntnis, bei bestimmten Vermögensangelegenheiten (etwa wenn das Kind erbt) und bei Namensänderungen. Unabhängig davon, ob getrennt oder nicht: Väter und Mütter können auch bei einer gemeinsamen Obsorge wichtige Entscheidungen wie medizinische Behandlungen oder die Wahl der Schule durchaus ohne die Zustimmung des anderen treffen. Wie gut das funktioniert, wenn die Eltern nicht mehr zusammenleben, ist eine andere Frage.

Die Grünen verneinen stets, dass es zu einer "automatischen Obsorge" kommt, vor der Kritikerinnen derzeit immer wieder warnen. Vielmehr solle die Verankerung gemeinsamer Verantwortung nun auch Konsequenzen möglich machen, wenn ein Elternteil dieser nicht nachkommt. In dem Fall kann ein Elternteil Pflichten und Rechte auch verlieren – wobei die Unterhaltspflicht immer aufrecht bleiben soll. "Wenn ein Kind sagt, es möchte, dass der Vater kommt, dieser aber nie kommt, dann kann das Recht auf die gesetzliche Vertretung entzogen werden", erklärt Pettighofer. Das könnte demnach für Eltern, bei denen einer nur Rechte einfordert, aber keine Pflichten wahrnimmt, eine Erleichterung bringen.

Was Konflikte schürt

Die Plattform Alleinerziehende sieht die allgemeine Forcierung der Väterbeteiligung bereits in der Paarfamilie positiv. Somit müssten gleichteilige Betreuungsmodelle bereits von Geburt des Kindes an gestärkt werden, wie etwa eine verpflichtende Väterkarenz. "Die ungleiche Arbeitsverteilung in den Familien schürt spätestens nach der Trennung in hohem Maße Konflikte", sagt Pettighofer. Auch einige klare finanzielle Regelungen, die nun geplant sind, könnten Streit minimieren – etwa dass getrennt lebende Eltern mit einer gleichteiligen Betreuung für beide Haushalte gleich viel Wohnbeihilfe bekommen. Denn genau solche finanziellen Themen würden Konflikte schüren.

"Wir können uns nicht dem Kampf Väter gegen Mütter, Mütter gegen Väter oder Männer gegen Frauen widmen. Wir müssen vielmehr die gesamte Familie als System ansehen", beschreibt Pettighofer die Perspektive der Plattform. "Wenn man zum Beispiel weit wegzieht, muss man bedenken, dass die Beziehung zwischen meinem Kind und mir brechen kann. Oder wenn ich mit dem Kind weit wegziehe, die Beziehung zu dem anderen Elternteil brechen kann", so Pettighofer. Und bei Gewalt gehe immer der Schutz vor.

Der Großteil der Eltern entscheidet sich derzeit für die gemeinsame Obsorge, bei vielen bleibt diese auch bei einer Trennung aufrecht. Bei Streitigkeiten, die womöglich sogar vor Gericht landen, soll es mit der Reform einen Kinderbeistand geben. Jemanden, der allein das Wohl und die Rechte des Kindes im Auge hat – und bei dem die Interessen der Mütter und Väter außen vor bleiben.

"In eine Familienrechtsreform gehören eigentlich keine Gleichstellungsaspekte", sagt Pettighofer. Denn es gehe im Familienrecht um die Interessen aller in einer Familie und darum, wie diese Interessen zusammengebracht werden können. (Beate Hausichler, 15.6.2022)