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Die "Pille für den Mann" lässt weiterhin auf sich warten.

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Nicht immer war das, was als Verhütung galt, auch tatsächlich sicher. Eine "Scheidenspülung" mit Coca-Cola galt einst als Hilfsmittel gegen eine ungewollte Schwangerschaft. Ebenso das Bidet, um sich nach dem Geschlechtsverkehr auf einfache Art und Weise die Spermien aus der Vagina zu spülen. Erst als Anfang der 1960er-Jahre die Antibabypille breitenwirksam eingeführt wurde (sie durfte in Österreich zunächst allerdings nur verheirateten Frauen verschrieben werden), nahm auch die Angst vieler Frauen vor einer ungewollten Schwangerschaft ab.

Es waren und sind weiterhin vor allem Frauen, die die Verantwortung bei der Verhütung übernehmen. Das geht aus zahlreichen Studien hervor. Während Frauen heute eine Vielzahl von Verhütungsmethoden, von Pillen, Spiralen, Hormonspritzen bis hin zu Hormonspiralen, zur Verfügung steht, gibt es für Männer nach wie vor lediglich zwei: Kondome oder eine Vasektomie.

Kondome sind jedoch anfällig für Pannen und gehören daher nicht zu den sichersten Verhütungsmethoden. Eine Vasektomie wiederum führt zu einer permanenten Unfruchtbarkeit, die viele Männer nicht wollen. Wo also bleiben die Pille und weitere Verhütungsmethoden für den Mann?

Tatsächlich wird daran bereits seit Jahrzehnten geforscht – bisher allerdings ohne große Durchbrüche. In den USA experimentieren Forschende etwa mit einem Hormon-Gel, das sich Männer einmal täglich auf die Schultern reiben sollen. Innerhalb einiger Wochen soll dadurch die Zahl der Spermien so weit sinken, dass sie zeugungsunfähig werden.

Gele und Spritzen

In Australien wird wiederum an Hormonspritzen geforscht, bei der die beiden natürlich vorkommenden Hormone Testosteron und Progesteron verabreicht werden, die in Kombination dazu führen sollen, dass die Produktion von Spermien gestoppt wird. Vor einigen Monaten stellten Wissenschafter wiederum eine hormonfreie Substanz namens YCT529 vor, die bei Versuchen mit Mäusen vielversprechende Ergebnisse zeigte. Noch ist aber keine der Methoden zugelassen und weithin verfügbar.

Das Problem laut einigen Wissenschaftern: Aus biologischer Sicht sei es weit schwieriger, die Produktion von Millionen Spermien jeden Tag zu unterbinden als die Reifung einer einzigen Eizelle pro Monat. Bei vielen der Methoden, die auf das männliche Testosteron abzielen, könnte es zudem zu einigen Nebenwirkungen kommen. In männlichen Körpern spielt Testosteron etwa eine Rolle bei der Knochendichte, dem Muskelwachstum und dem Fettstoffwechsel. Die neuen Hormon-Gele, -spritzen oder -pillen könnten etwa zu einer Gewichtszunahme, Depression oder einem höheren Risiko für Herzerkrankungen führen, warnen Wissenschafter.

Von Nebenwirkungen waren und sind freilich auch viele hormonelle Verhütungsmethoden für Frauen nicht befreit. Es ist einer der Gründe, weshalb viele Frauen hormonelle Verhütung ablehnen. Tatsächlich haben hormonelle Verhütungsmethoden in Österreich in den vergangenen Jahren immer mehr an Beliebtheit verloren. Von 2012 bis 2019 ist deren Nutzung einer Studie zufolge von 60 auf 44 Prozent gesunken. Stattdessen boomen heute zunehmend hormonfreie Verhütungsmethoden. Laut Experten gehören hormonelle Verhütungsmethoden wie die Hormonspirale oder die Pille jedoch nach wie vor zu den sichersten.

Noch sicherer – und gerechter, würden einige sagen – wäre es freilich, wenn auch Männern mehr und bessere Verhütungsmöglichkeiten zur Verfügung stünden und sie diese nutzen würden. Ein Forscherteam in den USA ist zuversichtlich, dass das nun bald gelingen könnte. Die Namen der Pillen, die die US-amerikanischen Forschenden entwickeln, sind kompliziert und schwer zu merken: DMAU und 11ß-MNTDC. Sie sollen den Testosteronanteil im Körper reduzieren, um so die Spermienanzahl zu verringern, ohne dabei zu zu großen Nebenwirkungen zu führen, und jederzeit umkehrbar sein.

Eine Pille pro Tag

In einer ersten Studie wurde 96 gesunden männlichen Versuchsteilnehmern entweder die Pille oder ein Placebo verabreicht. Nach sieben Tagen sank der Testosteronwert jener Männer, die die aktiven Pillen schluckten. Drei Viertel der Männer gaben sogar an, dass sie die Pillen trotz möglicher Nebenwirkungen auch in Zukunft weiter nehmen würden. Laut den Wissenschaftern kam es bei der Studie bis auf leichte und vorübergehende Nebenwirkungen wie etwa leichten Kopfschmerzen zu keinen weiteren, schwereren Nebenwirkungen. Eine größere und länger angelegte Studie steht allerdings noch aus.

Die Forschenden hoffen, dass die Pillen in den nächsten zehn Jahren auf den Markt kommen können. Männer müssten eine solche Pille dann wahrscheinlich einmal pro Tag einnehmen. Am Ende liegt es aber auch an den Pharmafirmen, teure und aufwendige Phase-drei-Zulassungsstudien zu finanzieren. Bisher war ihr Interesse an Verhütungsmethoden für Männer eher gering.

Selbst wenn es eines Tages eine Pille oder ein Verhütungsgel für den Mann geben sollte, stellt sich die Frage, wie gut es von Männern angenommen würde – und wie viel Vertrauen ihnen auch von der Partnerin bei der Verhütung entgegengebracht werden würde. Denn letztlich sind es Frauen, die die körperlichen Konsequenzen einer ungewollten Schwangerschaft tragen. Bis es bei der Empfängnisverhütung zu einer "faireren Verteilung" kommt, wie die Forschenden sagen, dürfte es aber ohnehin noch einige Zeit dauern. (Jakob Pallinger, 17.6.2022)