Die Auswirkungen einer Lawine in Alaska, USA.

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Forschende des Schweizer Lawinenforschungsinstituts SLF haben eine Computerlösung mithilfe von künstlicher Intelligenz zur Einschätzung der Lawinengefahr entwickelt. Der vollständig datengetriebene Ansatz schnitt bei der automatischen Vorhersage der regionalen Lawinen-Gefahrenstufe etwa gleich gut ab wie ein erfahrener Lawinenprognostiker und kommt seit dem vergangenen Winter auch bereits zum Einsatz, teilte die Forschungsanstalt WSL am Mittwoch mit.

Allerdings würden menschliche Lawinenprognostiker nicht überflüssig. Vielmehr dienten die Resultate, die der Computer ausspucke, als Zweitmeinung. Normalerweise schätzen drei Lawinenwarnerinnen oder -warner unabhängig voneinander, beruhend auf vorhandenen Daten, die Gefahrensituation ein. Statt nun direkt aus diesen Einschätzungen das Lawinenbulletin für den nächsten Tag zu erstellen, wird zuerst die menschliche mit der maschinellen Meinung abgeglichen.

75 Prozent Genauigkeit

"Der Computer wertet die Daten anders aus als wir Menschen. Daher kommt er manchmal auch zu einem etwas anderen Ergebnis", ließ sich Lawinenwarner Frank Techel in der Mitteilung zitieren. Dann werde die konsolidierte Einschätzung der Expertinnen und Experten nochmals kritisch überprüft – und allenfalls angepasst.

Techel ist Mitautor der Studie im Fachblatt "Natural Hazards and Earth System Sciences", in der das Team um SLF-Forscherin Cristina Pérez-Guillén den datengetriebenen Ansatz vorstelle. Demnach trainierten die Forschenden das Modell mit einem großen meteorologischen Datensatz von mehr als zwanzig Jahren. Der Computer brachte sich bei, Zusammenhänge zwischen den Wetterdaten und den dazugehörigen, von Menschen prognostizierten Warnstufen zu erkennen.

Die Genauigkeit der Modelle, also der Prozentsatz der korrekten Gefahrenstufenvorhersagen, lag gemäß den Forschenden bei rund 75 Prozent. Das entspreche etwa der Treffsicherheit von professionellen Lawinenprognostikern. Dem SLF zufolge eignet sich das Modell derzeit nur für trockene Lawinen. Modelle für Nassschneelawinen und für die Stabilität der Schneedecke lägen aber bereits vor und sollen im kommenden Winter getestet werden. (APA/sda, 15.6.2022)