Karl Nehammer und Werner Kogler bei der Vorstellung des Antiteuerungspakets am Dienstag.

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Die Regierung lobte es vor allem mit Superlativen. Es sei "keine Übertreibung oder Zuspitzung", dass das Volumen des am Dienstag vorgestellten Entlastungspakets "riesig" sei, sagte Kanzler Karl Nehammer (ÖVP). Von einem "Riesenvolumen" sprach auch Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). Weitere Steuerreformen würden sich gar erübrigen, weil man die kalte Progression nun abschaffe. Auch von vielen Fachleuten gab es Lob. Ist das Antiteuerungspaket also ein durchschlagender politischer Erfolg für die angeschlagene Koalition?

Kernpunkte des sechs Milliarden schweren Pakets sind einerseits Einmalzahlungen als Sofortmaßnahme. So gibt es 180 Euro Familienbeihilfe, 300 Euro für Arbeitslose und Mindestpensionistinnen sowie 500 Euro Klimabonus zusätzlich – für alle Erwachsenen. Dazu kommt eine Anpassung von Sozialleistungen an die Inflation ab 2023 und die Abschaffung der schleichenden Steuererhöhung ab Ende 2023.

Politikberater: "Gegengift wird nicht lange anhalten"

Grundsätzlich bewerten sowohl Expertinnen und Experten sowie auch die Sozialpartner die Umsetzung der breit gefächerten Entlastung als positiv. Gewerkschaften, Arbeiterkammer und NGOs sahen aber auch zentrale Versäumnisse. Und die Oppositionsparteien fanden am vorgestellten Plan naturgemäß mehrerlei kritikwürdig. Aber was sind nun die politischen Auswirkungen des Pakets?

Die Maßnahmen würden insgesamt positiv bewertet, das erschwere auch Kritik durch die Opposition, sagt der Politikberater Thomas Hofer. "Es ist dennoch nicht davon auszugehen, dass deshalb jetzt die Sympathiewerte der Regierung plötzlich in die Höhe schnellen." Schließlich, und das sagt auch der Politologe Peter Filzmaier, handle es sich um ein Krisenthema. Und da gehe es vor allem um Abfederung und einen Dämpfungseffekt. Politkommunikationsstrategisch will das heißen: Bestenfalls haben weite Teile der Bevölkerung das Gefühl, sie können die Kosten des Alltagslebens nun etwas besser berappen – und danken es den Regierungsparteien.

"Die Regierung hat die letzte Möglichkeit ergriffen, proaktiv zu handeln", sagt Filzmaier. Oder wie Hofer es nennt: "Es ist ein Lebenszeichen der Koalition." Darüber hinaus seien etwa mit der Abschaffung der kalten Progression jahrzehntelange politische "Wiedergänger" umgesetzt worden, erläutert der Politikberater. Der Opposition sei dadurch etwas an Angriffsfläche abhandengekommen. Eine langanhaltende Trendumkehr für die in Umfragen deutlich angeschlagene Regierung erwartet Hofer dennoch nicht: "Dieses große Paket ist ein wichtiges Gegengift, das aber nicht lange anhalten wird."

Kritikpunkte findet die politische Konkurrenz bereits jetzt einige. Aber was wird konkret beanstandet? DER STANDARD hat einen Rundruf bei den Budget- beziehungsweise Arbeits- und Sozialsprechern der Oppositionsparteien gemacht.

Muchitsch kritisiert Ausnahmen bei Valorisierung

Josef Muchitsch, der Arbeits- und Sozialsprecher der SPÖ, kritisiert, dass zwar mehrere Sozialleistungen künftig an die Inflation angepasst werden, nicht aber das Arbeitslosengeld, die Sozialhilfe und die Ausgleichszulage. "Ich kann mich als Bundeskanzler nicht hinstellen und von einem sozial gerechten Paket sprechen, wenn dann hunderttausende Menschen ausgenommen sind", sagt Muchitsch. Auch die vielfach vorgebrachte Kritik am Prinzip der Einmalzahlungen teilt der Nationalratsabgeordnete, weil diese nicht langfristig beim Einkaufen wirken würden. "Wenn die Inflation weiter steigt, was ist dann im Jänner, Februar, März?", fragt Muchitsch.

Die SPÖ fordere daher weiter einen Preisdeckel bei Grundnahrungsmitteln, Energie, Treibstoff und Mieten. Zum Einwand von Fachleuten, dass von Preisdeckelungen auch Bezieher sehr hoher Einkommen profitieren und diese daher nicht sozial treffsicher seien, sagt Muchitsch: "Es wird aber keine Regelung mit einem zweiten Preis für Besserverdienende geben." Gerade die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen würden die Teuerung allerdings überproportional spüren. Kritik übt der Abgeordnete aber daran, dass die Pendlerpauschale nicht für alle Pendlerinnen und Pendler gleich, sondern nach Einkommen berechnet wird. "Der Abteilungsleiter mit 7.000 Euro Bruttogehalt bekommt um 1.000 Euro mehr als die teilzeitbeschäftigte alleinerziehende Mutter aus dem gleichen Dorf mit dem gleichen Dienstort", sagt Muchitsch.

Keine Preissenkungen und "Gießkannenprinzip"

FPÖ-Budgetsprecher Hubert Fuchs kritisiert, dass "die Ursachen der Inflation überhaupt nicht bekämpft werden". Weil keine preisdämpfenden Maßnahmen enthalten seien, werde durch das Paket der Regierung nichts billiger, sagt Fuchs. Zwar könnten viele Faktoren von Österreich aus nicht beeinflusst werden. Beim Dieselpreis, wo 49 Prozent aus Steuern und Abgaben bestehen, gebe es aber Möglichkeiten zur Preisreduktion. Die FPÖ fordert eine massive Senkung von Steuern und Abgaben, sowohl der Mineralöl- als auch der Umsatzsteuer. Auch die Kosten von Grundnahrungsmitteln und Mieten müssten laut Fuchs reduziert werden. Die Abschaffung der kalten Progression solle zudem nicht erst mit 2023, sondern rückwirkend zum 1. Jänner 2022 greifen: "Das wäre eine direkte Entlastung der Steuerzahler, von der sofort etwas überbleibt."

Neos-Budgetsprecherin Karin Doppelbauer spricht beim vorgestellten Paket von einem "Gießkannenprinzip", mit dem es für alle ein bisschen etwas gebe. Treffsicherheit würde definitiv anders aussehen, das Budget werde aber stark belastet. Die angepeilte Senkung der Lohnnebenkosten sei dagegen zu gering, um tatsächlich zu entlasten. Bei der Abschaffung der kalten Progression komme es indessen darauf an, nach welchem Modell genau der Automatismus zur Erhöhung der Steuerstufen berechnet werde. "Ich bin gespannt, wie viel von der Inflation im Endeffekt tatsächlich an die Menschen zurückgegeben wird."

Die durch die Abschaffung der kalten Progression wegfallenden Mehreinnahmen für den Staat müssten zudem anders kompensiert werden. Aus Sicht der Neos solle das in erster Linie durch Einsparungen mit einer Pensions- und Föderalismusreform passieren. "Ein schneller Gewinn wäre außerdem, sich die umweltschädlichen Förderungen anzuschauen", sagt Doppelbauer. (Martin Tschiderer, Katharina Mittelstaedt, 15.6.2022)