Wolfgang Ambros – seit 50 Jahren steht er auf der Bühne, am Mittwoch beging er diesen Termin mit seinen Fans in der Wiener Stadthalle.

Foto: APA / Florian Wieser

Mittwochabend, Wiener Stadthalle. Vor gut 6.000 Besucherinnen und Besuchern betritt die Nummer eins den Saal: Applaus, Security. Groupies laufen, Fotografen drängen, Selfies mit Fans werden gemacht, Hände geschüttelt. Der Mann ist beliebt, keine Frage. Dann setzt sich Alexander Van der Bellen rechts von der Bühne unter die Leute, um auf den Auftritt der anderen Nummer eins dieses Abends zu warten.

Diese kommt kurz darauf: Wolfgang Ambros betritt unter Zuhilfenahme von Skistöcken die Bühne. Diese sind kein Gimmick für seinen Song zum Thema, der Held der heimischen Liedermacherei hat viel gelitten, der Rücken eines seiner Probleme, doch er ist zäh und hält sich wacker. Sein Zungenschlag verheißt gute Laune, und die wird er bringen, aber hallo.

Anlässlich seines 50-jährigen Bühnenjubiläums steht er da oben an einen Hocker gelehnt und fühlt sich wohl und wohler. Er kündigt alte und ganz alte Songs an – mit dem Nachsatz: "Neue hamma eh kane." Er kichert, der Saal johlt, wir sind eine große Familie. Tatsächlich – das Publikum zeigt, dieser Abend ist kein Klassentreffen eines älteren Jahrgangs. Kinder sind da, jede Menge Teenager und Twentysomethings, die jede Textzeile mitsingen, von Titeln, die im Radio liefen, als ihre Eltern noch nicht so alt waren, wie sie es heute sind.

Anekdoten und Bettina

Mit Verwahrlost aber frei beginnt er, I drah zua folgt, dann der Ignorantenstadl. Lauter alte und sehr alte Lieder. Dazwischen gibt der 70-Jährige Anekdoten zum Besten, erinnert an die Namenspatronin des Songs Bettina und wundert sich, warum gerade Frauen sein Du verstehst mi net so gut verstehen. Die siebenköpfige Band ist von Beginn an souverän, Ambros gut bei Stimme, konzentriert. Hier, in Wien, ein voller Saal, das taugt ihm merklich, den Zuspruch, den er empfängt, der beflügelt ihn, er ist gerührt, ambitioniert.

Lebensbegleiter für viele – Wolfgang Ambros lässt sich in der Stadthalle nicht lumpen und gibt, was er hat: alles.
Foto: APA / Florian Wieser

Bei manchen Liedern stehen einzelne Personen auf, ergeben sich ihnen vor allen – irgendetwas muss ihnen der Song bedeuten. Kein Wunder. Der Mann da oben, der aus seinen Gefühlen und Umständen nie ein Hehl gemacht hat, der viele gute und ein paar andere Platten gemacht hat, dem man das Leben ansieht, der gezeichnet ist, wie er einem tobenden Saal gleich ausrichten wird, der ist für viele Menschen ein Lebensbegleiter.

"Willi!"

Den Wolferl gibt es seit den frühen 1970ern, er hat mit Marianne Mendt das erfunden, was Austropop genannt. Ein Begriff, den fast alle darunter verhandelten hassen, so auch er. Trotz aller Widrigkeiten steht er noch da. Sein Freund Georg Danzer ist tot, dessen Jö, schau wird er im zweiten Konzertteil spielen. Der Willi Resetarits ist gerade erst gegangen, dessen Feia spielt er gleich danach. Der Saal tobt, steht längst, Ambros ruft am Ende des Lieds "Willi!" und schickt ihm ein Bussi mit der Hand gen Himmel.

LD

Im zweiten Teil trägt er ein frisches Hemd, und die Stimmung ist mitreißend, die Prognose Langsam wochs' ma z'amm ist zwischen Wolferl und Publikum längst zur Diagnose geworden. Seine Lieder sind Volkslieder im besten Sinn des Wortes, sind vom kollektiven Gedächtnis des Landes verinnerlicht.

Sein Talent, Vorstadtschmäh mit dem Morbiden zu vermählen, zieht sich durch sein Werk, also durch die Setlist. Gezeichnet für's Leben ist vielleicht der Höhepunkt an diesem Abend, wenngleich im Zugabenblock natürlich Kaliber wie Zentralfriedhof und Die Blume aus dem Gemeindebau warten. Der Saal bebt, ist hin und weg. Die eine Nummer eins spendet der anderen stehend Beifall. Ein großer Abend. (Karl Fluch, 16.6.2022)