Verdis "Falstaff" in der Staatsoper: Eleonora Buratto (Alice Ford) und Gerald Finley (Falstaff).

Foto: Staatsoper

Roščić und Rangnick: Was ist den beiden Führungskräften nationaler Kultinstitutionen gemein? Sie verantworten wechselnde Besetzungen. Neun Monate nach der Falstaff-Wiederaufnahme mit Wolfgang Koch ist Gerald Finley in der Titelpartie zu erleben.

Finley als Falstaff: Das ist in etwa so, wie wenn man Alexander van der Bellen bitten würde, beim Villacher Fasching als Gérard Depardieu aufzutreten. Schwierig. Da hilft auch ein Fat Suit nur begrenzt. Der 62-jährige Kanadier gab den Ahnherrn der Bodypositivity und verlotterten Bonvivant am Dienstagabend als grimmigen Tattergreis, der komödiantische Part der Partie blieb unterbelichtet – aber da mag die wächserne, totenbleiche Maske Mitschuld getragen haben.

Der fokussierte, noble Bassbariton des Ausnahmesängers ist zu preisen; ein variableres Angebot an Klangfarben hätte gutgetan. Bezeichnenderweise gelang Finley der kurze Depri-Anflug Falstaffs zu Beginn des dritten Akts am überzeugendsten.

Fehlbesetzung

Auch andere Rollendebüts gaben Rätsel auf. Wer um Himmels Willen ist auf die Idee gekommen, Vera-Lotte Boecker als Nannetta zu besetzen? Dem fähigen Ensemblemitglied fehlte es entscheidend an Glanz und Leichtigkeit für die junge Verliebte. Stimmiger Frédéric Antouns Fenton, der Geschmeidigkeit mit heldischer Inbrunst unterfütterte. Die Routiniers Boris Pinkhasovich (Ford) und Thomas Ebenstein (Dr. Cajus) setzten zu sehr auf Power; vor Monika Bohinec Mrs. Quickly ängstigt man sich fast.

Was ist der weibliche Ausdruck für Macho? Das Staatsopernorchester unter der kundigen Leitung von Giampaolo Bisanti: ein Präzisionsinstrument. Freude. (sten, 16.6.2022)