Kanzler Karl Nehammer ließ sich am Mittwoch bei der dringlichen Anfrage der FPÖ im Parlament vertreten.

Die Opposition war, gelinde gesagt, nicht erfreut. Bei der Nationalratssitzung am Mittwoch wollte die FPÖ Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) eigentlich mittels dringlicher Anfrage bearbeiten. Themen sollten die aktuellen ÖVP-Skandale rund um Parteifinanzen und Wahlkampfkosten sein. Doch dazu kam es nicht. Denn nicht nur wurden die Fragen der Freiheitlichen vom Rednerpult aus kaum beantwortet – der Kanzler stand dort auch gar nicht selbst. Nehammer ließ sich nämlich von Staatssekretärin Claudia Plakolm vertreten.

Was das Kanzleramt auf Anfrage nüchtern zu kommentieren suchte – Plakolm sei eben Nehammers Vertretung im Parlament, der Kanzler habe sich schon öfter von der Staatssekretärin vertreten lassen –, sorgte in der Opposition für größeren Ärger. Von Beginn ihrer Rede an regnete es Zwischenrufe von Abgeordneten der Oppositionsparteien, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) bat bald um "Contenance".

Plakolm ging ihrerseits auf die Fragen aus der "Dringlichen" kaum ein, sondern referierte lieber über die aktuelle Teuerungswelle. Diese würde die Bürgerinnen und Bürger auch tatsächlich beschäftigen, argumentiere die Staatsekretärin – die Themen der dringlichen Anfrage dagegen nicht. So beklagte sie den ihrer Meinung nach unprofessionellen Ton der Oppositionsfraktionen im Parlament und beantwortete die meisten Punkte der Dringlichen mit dem wiederkehrenden Satz: "Dies ist nicht Gegenstand der Vollziehung."

Auch Maurer kritisiert Plakolm

Eine Debatte über die Geschäftsordnung des Nationalrates und eine "Stehung" der Abgeordneten waren die Folge. Plakolm habe auch Antworten auf Fragen verweigert, die eben schon vom Fragerecht umfasst seien, argumentierte man in der Opposition. Das sei eine "Farce", sagte etwa SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried.

Nach einer Prüfung durch den rechtswissenschaftlichen Dienst des Parlaments beantwortete Plakolm zwei Fragen noch einmal ausführlicher. Dennoch eher kurzgefasst, bestritt sie Interventionsversuche der ÖVP beim Unabhängigen Parteientransparenzsenat. Unrechtmäßige Auszahlungen aus dem NPO-Fonds an den ÖVP-Seniorenbund konnte sie nicht erkennen. Die FPÖ brachte schließlich erfolglos einen Misstrauensantrag gegen Nehammer ein, der "nicht mehr tragbar" sei.

Für Kritik sorgte Plakolms Auftritt aber nicht nur bei der Opposition, sondern auch beim Koalitionspartner: Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer tadelte ihre Regierungskollegin mit ungewöhnlich scharfen Worten. Die Beantwortung der dringlichen Anfrage hielt auch sie für "wirklich ungenügend". Sie "erwarte" sich, dass Plakolm das besser mache.

Nehammer laut Parteistatut für Bilanz 2019 verantwortlich

Unterdessen zeigt ein Blick ins Parteistatut der ÖVP, dass die Verantwortung für die Parteibilanzen im Wahlkampfjahr 2019 jedenfalls beim damaligen Generalsekretär Nehammer lag – und nicht etwa beim damaligen Bundesgeschäftsführer Alexander Melchior. Nehammer hatte im "ZiB 2"-Interview am Dienstagabend auf die Frage, ob er im Falle einer Strafe des Unabhängigen Parteientransparenzsenats in der aktuellen Causa ÖVP-Rechnungshof noch Parteichef bleiben könnte, die Verantwortung indirekt von sich gewiesen: Er habe "keine Zweifel" daran, dass Melchior hier sauber und redlich gearbeitet habe, sagte Nehammer.

Im ÖVP-Statut ist unter Paragraf 45, der die Rolle des Generalsekretärs oder der Generalsekretärin festlegt, allerdings zu lesen, dass der Generalsekretär "für die Durchführung aller in den Tätigkeitsbereich der Bundesparteiorganisation fallenden Aufgaben allein zuständig ist". Und kurz danach: Durch Entscheidung des Bundesparteiobmannes könne dem Generalsekretär zur ordnungsgemäßen Erledigung seiner Aufgaben "ein Bundesgeschäftsführer beiseite gestellt werden". Verantwortlich ist demnach klar der Generalsekretär.

Bei der Nationalratswahl 2019 ist laut ÖVP-Angaben weniger ausgegeben worden als bei der vorhergehenden EU-Wahl. Der Rechnungshof hegt daran gröbere Zweifel und beauftragt erstmals einen externen Prüfer, sich das Gebaren der Volkspartei im Berichtsjahr 2019 anzusehen. (Martin Tschiderer, 16.6.2022)