Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) und Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP).

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Die Doppelconférencen von Kanzler und Vizekanzler, denen in den letzten Tagen kaum ein Bürger, eine Bürgerin entgehen konnte, sollten neben der Preisung ihres Entlastungspaketes vor allem dem Zweck dienen, der Ruine der türkis-grünen Koalition eine herzeigbare Fassade vorzuziehen, sie trotz schwerer Korruptionsvorwürfe bei sinkenden Umfragewerten als handlungsfähig und für den Fall von vorgezogenen Neuwahlen als trotz allem empfehlenswert darzustellen. Dieses Vorhaben ist in dem Ausmaß gelungen, wie es dieser Regierung zuzutrauen war, also etwas besser, als dies unter Türkis-Blau gelungen wäre, aber nicht so gut, wie es nötig gewesen wäre, um die Probleme zu lösen, statt sie vor sich herzuschieben.

Flickwerk an den falschen Stellen

Hätte sie sich nicht zur Ankündigung einer teilweisen Abschaffung der kalten Progression durchgerungen, wäre die Kritik von Opposition und Ökonomen noch viel herber ausgefallen, der Eindruck von Flickwerk an den falschen Stellen wäre noch offensichtlicher. Mogelpackung nannte die noch relativ wohlwollende Neos-Chefin das Paket. Sozialdemokraten und Gewerkschafter wiesen auf dessen unausgewogene Finanzierung, vor allem aber darauf hin, dass Einmalzahlungen keine dauerhaften Maßnahmen gegen die Inflationsbelastung der schwächeren Bevölkerungsschichten darstellen. Und wenn der Präsident des Fiskalrates feststellt, dass mehrere Maßnahmen, darunter eben auch die Abschaffung der kalten Progression, vor allem die Mittel- und Oberschicht entlasten, ist das kaum als böswillige Oppositionskritik zu verteufeln.

Weder das Land noch die Koalitionäre dürfen sich das große Entlastungserlebnis erwarten. Dem nach außen hin verkündeten "Gemeinsam gegen die Inflation" steht das mit den näherrückenden Wahlen wachsende Unbehagen aneinander entgegen. Der Gesundheitsminister wäre für eine milde Vermögenssteuer zu haben – ein Graus für die ÖVP. Stoßen sich die Grünen an der Asylpolitik des Partners, spricht dieser dem Klimarat von Leonore Gewessler jede Relevanz ab. Beide haben recht. Der Klimarat ist ein Populismusversuch, die Sortierung und Differenzierung von Asylsuchenden nach Herkunft ist eine rassistische Einstiegsdroge mit dem Innenminister als Dealer.

Angst als Zusammenhalt

Die Angst vor Neuwahlen hält sie zusammen. Werner Kogler will sich von der Korruption beim Regierungspartner im Mitregieren nicht stören lassen. Aber dass er diesen für anständig hält, kommt ihm nicht über die Lippen. Der hält sich für anständig – nicht das geringste Korruptionsproblem, so Karl Nehammer. Ihm laufen halt nur in seniler Wahlflucht schon Landeshauptleute davon. Lieber, als eine Niederlage einzustecken, schließen sie einen Seniorenbund fürs Leben. Aber welchen? Den politischen oder den wohltätigen? Da kann nur noch der Rechnungshof helfen.

Als seinerzeitiger Generalsekretär und somit politischer Grenzwahrer der Wahlkampfkosten übt sich der jetzige ÖVP-Obmann in Flucht aus der Verantwortung. Er sei überzeugt, der damalige Bundesgeschäftsführer habe schon alles sauber und redlich gemacht. Na dann ist er schon einmal aus dem Schneider. Wer, wenn nicht er, soll schließlich als der Mann in die Wahlen gehen, der die Wählerinnen und Wähler den Kurz vergessen machen soll. Das Ende der kalten Progression ist dafür zu wenig. (Günter Traxler, 16.6.2022)