"Der Innenminister wird sich jedenfalls dazu erklären müssen", befindet FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer.

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Zu Wochenbeginn suggerierte eine Titelgeschichte der Kronen Zeitung, dass die Läuferinnen und Läufer des Wien-Marathons Ende April nur knapp einem terroristischen Anschlag entkommen sein könnten. Damals sei eine Schläferzelle des sogenannten Islamischen Staats (IS) enttarnt, aber Schlimmeres verhindert worden. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) feierte den "Erfolg" seines Staatsschutzes. Gleichzeitig teilte Karners Ressort allerdings auf Nachfrage mit, dass der Marathon gar nicht im Blickpunkt der Jihadisten gestanden sei – die Rede war fortan von einer potenziellen Bedrohung.

Davon abgesehen präsentierte sich das Innenministerium äußerst wortkarg. Mit Verweis auf die eigentlich noch laufenden Ermittlungen teilte man bloß so viel mit: Im Fokus der Sicherheitsbehörden sollen mehrere Personen in Europa stehen, "auch einen Bezug zu Österreich" gebe es. Warum hierzulande bisher keine Razzien durchgeführt wurden und obendrein keine Person in Haft kam, bleibt unbeantwortet. Allerdings soll die besagte IS-Zelle Anschlagspläne hinsichtlich Großveranstaltungen in Europa wälzen.

"Schläfer in Österreich regelrecht aufgeweckt"

Diese Informationslage befindet der freiheitliche Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer als "widersprüchlich". Auch die darauffolgenden Erklärungen von Omar Haijawi-Pirchner, Chef der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), seien "wenig erhellend" gewesen. In jenem Interview erklärte Haijawi-Pirchner, dass der islamistische Extremismus "wieder eine akute Bedrohung in Österreich darstellt".

Für Amesbauer stellt sich vor allem die Frage, "warum hier die Öffentlichkeit über potenziell gefährliche Strukturen informiert wurde, noch bevor anscheinend polizeiliche Maßnahmen stattgefunden haben". Und der Nationalratsabgeordnete fügt an: "Wenn es sich tatsächlich um ein internationales IS-Netzwerk handelt, werden deren Mitglieder durch die Kommunikation des Innenministeriums ja förmlich aufgeschreckt, potenzielle IS-'Schläfer' in Österreich regelrecht aufgeweckt beziehungsweise mit der Nase darauf gestoßen, dass sie unter Beobachtung stehen."

Amesbauer wendet sich nun jedenfalls mit 44 Fragen in Form einer parlamentarische Anfrage an den Innenminister. Darin verweist er auch auf die Recherchen des STANDARD. Amesbauer will unter anderem von Karner wissen, wie viele jihadistische Gefährder dem österreichischen Staatsschutz derzeit bekannt sind, wie die Information über die angebliche IS-Zelle in die Medien gelangt ist und ob die zeitgleichen Verhaftungen von mutmaßlichen Jihadisten in Deutschland und in der Schweiz mit jenem Netzwerk in Verbindung stehen könnten.

Amesbauer will den Innenminister aber auch im nächsten geheimen Unterausschuss des Innenausschusses auf die jüngsten Ereignisse ansprechen: "Der Innenminister wird sich jedenfalls dazu erklären müssen, wie diese sicherheitspolitisch brandgefährliche Kommunikation zustande kam", sagt Amesbauer. (Jan Michael Marchart, 17.6.2022)