Der französische Cellist Gautier Capuçon im romantischen Dialog mit den Philharmonikern und Dirigent Andris Nelsons.

APA/Steinmaurer

Das Sommernachtskonzert hat schon manches erlebt. Bisweilen schien es, als hätten es die Elemente Wind und Regen regelrecht auf die Open-Air-Veranstaltung abgesehen. Es gab ja auch schon Absagen wegen stürmischer Bedingungen und natürlich Corona. So wurde einmal von Juni in den September, samt reduzierter Zuschauerzahl, verschoben.

Diesmal brachten die Wiener Philharmoniker ihr Konzert jedoch ins Trockene, obwohl es in anderen Teilen Wiens doch da und dort einiges an Regengüssen gegeben hatte. Und so konnte der lettische Dirigent Andris Nelsons am Donnerstag das bunte, in einigen Teilen dem Tanz verpflichtete Programm unter auch für das Publikum angenehmen Bedingungen präsentieren.

Tango und Walzer

Natürlich gab es angesichts des Ukraine-Krieges symbolische Repertoiregesten. Man interpretierte den Abschiedswalzer in c-Moll (Arrangement: Olexii Bazhenov) des ukrainischen Komponisten Mykola Lysenko. Nelsons gab dem Stück jene schwebende Melancholie, die der Walzerstil so für sich beansprucht.

Robusteren Zugang braucht der "traurige Gedanke, den man tanzt": Der Tango des lettischen Komponisten Arturs Maskats versprühte denn neben eleganter Schwermut auch emotionale Aufgeladenheit. Während das Schönbrunner Ambiente in rotes Licht getaucht wurde, gab es auch Momente quasi brennender Sanglichkeit.

Klang der Verbundenheit

Heuer sollte klanglich besonders auf die kulturelle Verbundenheit Europas hingewiesen werden. Und wenn man das aus ernsthafter Düstere aufsteigende strahlende Melos in Ludwig van Beethovens Ouvertüre Nr. 3 (zu Leonore op. 72) hernimmt, war das auch eine Geste, die für Freiheit und gegen Unterdrückung stehen wollte.

Ein Höhepunkt mit dem französischen Cellisten Gautier Capuçon: Er durchlebt und meisterte lustvoll alle Dramen der Virtuosität und war bei Camille Saint-Saëns' Konzert für Violoncello Nr. 1 in a-Moll, op. 33 dann doch auch der emphatische instrumentale Orpheus. Und dies auch bei Myroslav Skoryks Melodie für Celli und Orchester.

Stilisierte Folklore

Später zelebrierten die Philharmoniker bei Gioachino Rossinis Ouvertüre zur "Diebischen Elster" die Kunst der effektvollen Beschleunigung oder ließen George Enescus Rumänische Rhapsodie Nr. 1 feurig an die Möglichkeiten stilisierter Folklore erinnern.

Schließlich fand das Orchester mit Nelsons nach Smetanas Ouvertüre zur "Verkauften Braut" bei Dvoráks Slawischem Tanz in e-Moll, op. 72/2 zu eleganter, unaufdringlicher Wehmut, die sich auch bei "Wiener Blut" von Strauß fortsetzte. Diesmal spielte man übrigens vor und also mit dem Rücken zu Schloss Schönbrunn. Mit dabei waren rund 65.000 Hörfreudige, im Rekordjahr 2018 waren es über 100.000 gewesen. (Ljubiša Tošić, 17.6.2022)