Gazprom drosselt schon seit mehreren Tagen die Lieferungen in eine Reihe von EU-Staaten.

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Moskau – Frankreich erhält kein russisches Gas mehr über eine Pipeline aus Deutschland. Das sei bereits seit Mittwoch der Fall und einer "Unterbrechung des Gasflusses zwischen Frankreich und Deutschland" geschuldet, erklärte der französische Netzbetreiber GRT Gaz am Freitag. Der russische Gazprom-Konzern hatte in den vergangenen Tagen seine Lieferungen in eine Reihe von EU-Staaten gedrosselt.

Die Gasversorgung werde dadurch nicht beeinträchtigt, und das Auffüllen der Speicher für den Winter gehe weiter, erklärte GRT Gaz. Angesichts eines ohnehin rückläufigen Gasverbrauchs sei die Einfuhr über die Pipeline seit Jahresbeginn bereits um 60 Prozent unter dem Vorjahresniveau gelegen. Die Pipeline war demnach nur zu zehn Prozent ausgelastet. Gas werde nun verstärkt über eine Pipeline aus Spanien eingeführt.

Ausbau von Flüssigerdgas-Terminal in Marseille

Frankreich deckt weniger als ein Viertel seines Gasbedarfs mit Importen aus Russland. Es ist damit deutlich weniger von russischem Gas abhängig als andere EU-Staaten und verfügt zudem über vier Flüssigerdgas-Terminals. Außerdem stammen 70 Prozent der französischen Stromerzeugung aus Atomkraft, viele Franzosen heizen mit Strom.

Außer per Pipeline wird russisches Erdgas auch per Schiff eingeführt. Seit Jahresbeginn hat in Frankreich die Einfuhr von Flüssiggas um 66 Prozent zugenommen. Die Kapazitäten eines LNG-Terminals bei Marseille werden derzeit ausgebaut. Zusätzliche Kapazitäten sollen im Norden bei Dünkirchen und Le Havre geschaffen werden.

Italien könnte Alarmzustand ausrufen

Gazprom drosselt auch die Erdgaslieferung nach Italien. Nach Angaben des teilstaatlichen Gasversorgers Eni sagte Gazprom am Freitag nur 50 Prozent der bestellten Liefermenge zu. Eigentlich habe Italien an diesem Tag 63 Millionen Kubikmeter Gas aus Russland bestellt. Schon in den vorigen Tagen waren die Gaslieferungen gedrosselt worden – am Mittwoch um 15 Prozent und am Donnerstag um 35 Prozent.

Italien könnte nächste Woche einen Alarmzustand in Bezug auf die Gaslieferungen ausrufen, sollte Russland seine Gaslieferungen nach Rom weiterhin drosseln, so zwei Regierungsquellen am Freitag. Das wäre die nächste Stufe im dreistufigen Gasnotstandsprotokoll. Der Voralarmzustand wurde Ende Februar nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine verhängt. Die letzte Stufe wäre ein Gasnotstand.

Lieferungen an Slowakei stark gekürzt

Der Alarmzustand würde eine Reihe von Maßnahmen auslösen, die darauf abzielen, den Gasverbrauch zu senken. Dazu gehören die Rationierung des Gases für ausgewählte industrielle Abnehmer, das Hochfahren der Produktion in den Kohlekraftwerken des Landes und die Forderung nach mehr Gasimporten von anderen Lieferanten.

Der slowakische Gasimporteur SPP wurde ebenfalls von Russland informiert, dass seine Gaslieferungen am Freitag um die Hälfte reduziert werden. "Die Kürzung der Lieferungen um die Hälfte schadet uns im Moment nicht. Wir arbeiten mit dem realistischen Risiko, dass die Lieferungen ganz eingestellt werden", erklärte SPP-Geschäftsführer Richard Prokypčák.

(APA, Reuters, 17.6.2022)