In den USA drohen Julian Assange insgesamt 18 Verfahren, unter anderem wegen Spionage.

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London – Die britische Innenministerin Priti Patel hat am Freitag der Auslieferung von Wikileaks-Gründer Julian Assange an die USA zugestimmt. Zuvor hatte bereits ein Gericht in London die Auslieferung Assanges genehmigt. Zwölf Jahre hat der Streit beider Regierungen über die Auslieferung bisher gedauert. Assange wird von den US-Behörden in 18 Fällen gesucht. Die US-Justiz will ihm wegen Spionagevorwürfen den Prozess machen, ihm drohen bis zu 175 Jahre Haft. Die Genehmigung der Auslieferung ist ein schwerer Rückschlag für Julian Assange. Er hat nun zwei Wochen Zeit, um in Berufung zu gehen.

Die USA werfen Assange unter anderem den Verstoß gegen ein Spionagegesetz vor. Er soll gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht und damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht haben. Seine Unterstützer sehen in ihm dagegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat und an dem nun ein Exempel statuiert werden soll.

Auslieferungszeitpunkt unklar

Der High Court in London hatte Ende vergangenes Jahr ein zuvor wegen Suizidgefahr erlassenes Auslieferungsverbot für Assange aufgehoben. Für seine Sicherheit sei ausreichend gesorgt, hieß es damals. Das oberste Gericht (Supreme Court) hatte eine Berufung dagegen zuletzt abgelehnt.

Assange sitzt seit 2019 in britischer Auslieferungshaft und hatte sich zuvor sieben Jahre lang in der Botschaft Ecuadors in London verschanzt. Nach jahrelangem Hin und Her vor verschiedenen Gerichten war am Freitag die britische Regierung am Zug. Ob und wann der 50-jährige Australier ausgeliefert wird, war aber zunächst unklar. Seinen Unterstützern zufolge ist der Rechtsweg noch nicht ausgeschöpft. Sie befürchten, dass er trotz anderslautender Zusicherungen aus Washington in ein Hochsicherheitsgefängnis kommen wird.

Assange wird Urteil wahrscheinlich anfechten

Assange hat nun die Möglichkeit, seine Auslieferung vor dem High Court anzufechten, was er nach Angaben von Wikileaks auch tun wird. Sollte er damit scheitern, bliebe ihm noch der Gang vor das höchste britische Gericht, den Supreme Court. Sollten die Richter grünes Licht für die Auslieferung geben, muss Assange spätestens 28 Tage später in die USA geflogen werden. "Dies ist ein dunkler Tag für die Pressefreiheit und für die britische Demokratie", sagte Assanges Frau Stella. "Heute endet der Kampf nicht. Es ist nur der Beginn einer neuen juristischen Schlacht." Assange versucht seit Jahren, seine Auslieferung mit juristischen Mitteln zu verhindern.

Assange hatte 2010 über seine Enthüllungsplattform Wikileaks geheime US-Berichte und Diplomatendepeschen veröffentlicht, die er von Informanten zugespielt bekam. Die USA bezeichnen ihn seitdem als Staatsfeind, der das Leben anderer Menschen gefährdet habe. Für seine Anhänger ist er indes ein Held, der Machtmissbrauch und Fehlverhalten der USA in den Kriegen in Afghanistan und dem Irak aufgedeckt habe. Der Deutsche Journalisten-Verband rief die USA auf, die Anklage fallen zu lassen. Wenn Präsident Joe Biden russische Kriegsverbrechen in der Ukraine anprangere, dürfe er nicht mit äußerster juristischer Härte gegen den Aufklärer amerikanischer Kriegsverbrechen vorgehen. (APA, Reuters, 17.6.2022)