Im Gastblog gibt der Jurist Johannes Mitterecker Einblicke in die vereinsrechtliche Struktur der Fis.

Die Stimmung innerhalb des Internationalen Skiverbandes (Fédération Internationale de Ski, Fis) dürfte wohl schon einmal besser gewesen sein. Spätestens seitdem der amtierende Präsident für eine zentrale Vermarktung aller TV- und Marketingrechte unter dem Dach der Fis eintritt und den Nationalverbänden trotz gültiger Verträge Vermarktungsrechte zu entreißen droht, brodelt es innerhalb der Fis. Die Spannungen haben sich nun beim 53. Internationalen Skikongress im Mai in Mailand entladen. Die Querelen fanden im Rahmen der Wahl des Fis-Präsidenten Johan Eliasch ihren Höhepunkt. Diese könnte nun ein juristisches Nachspiel haben.

Was war passiert?

Bei der Wiederwahl von Johan Eliasch – einen Gegenkandidaten gab es nicht –hatten Österreich und andere (mächtige) nationale Skiverbände (darunter die Schweiz, Deutschland, Frankreich, Norwegen, Schweden und Finnland) aus Protest gegen das Wahlprozedere den Saal verlassen.

Fis-Präsident Johan Eliasch.
Foto: JOE KLAMAR / AFP

Insgesamt 15 nationale Skiverbände – darunter auch der Österreichische Skiverband (ÖSV) – beantragten eine geheime Abstimmung. Diesem Wunsch soll mit 65 Prozent zugestimmt worden sein. Wirklich geheim soll die Wahl aber dann dennoch nicht stattgefunden haben, weil die Delegierten unter anderem zu eng zusammengesessen sein sollen. Doch damit nicht genug: Bei der Wahl soll es zudem nur zwei Optionen gegeben haben, eine Stimme für Eliasch und eine Stimmenthaltung. Eine Nein-Stimme soll hingegen nicht vorgesehen gewesen sein.

Aus den Reihen des Fis-Präsidenten wurde das Wahlergebnis als "einstimmig" kommuniziert. Für die am Boykott teilnehmenden Skinationen eine besondere Dreistigkeit, die sie nicht auf sich sitzen lassen wollen. Sie überlegen nun rechtliche Schritte gegen die Präsidentenwahl. DER STANDARD hat berichtet.

Auch wenn für allfällige Streitigkeiten in erster Linie Schweizer Vereinsrecht – die Fis ist ein Verein nach Schweizer Recht – einschlägig sein wird, lohnt es sich, einen allgemeinen Blick auf die Rechtsbehelfe zu richten, die den nationalen Mitgliedsverbänden zur Verfügung stehen könnten. Dazu ist zunächst auf die Verbandsstrukturen des Skisports und die Wahl des Fis-Präsidenten einzugehen.

Die Machtstrukturen im Skisport

An der Spitze der Skiverbandspyramide steht die Fis, welche die Rechtsform eines Vereins besitzt. Ihr gehören als ordentliche Mitglieder die nationalen Skiverbände an. In Österreich ist das der Österreichische Skiverband (ÖSV), der wiederum aus den Landesskiverbänden der Bundesländer besteht. Das Organisationsgefüge der Fis ist komplex und lässt sich – stark vereinfacht – wie folgt darlegen:

Oberstes Organ der Fis ist der Kongress. Es handelt sich dabei um die Generalversammlung sämtlicher Mitgliedsverbände. Zu den Aufgaben des Fis-Kongresses zählt es, die Statuten zu ändern, den Präsidenten und den Vorstand (Council) zu wählen, das Budget zu genehmigen, über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedsverbänden sowie über die Einführung, Änderung und Streichung von Veranstaltungen zu entscheiden – und vieles mehr.

In den Perioden zwischen den Kongressen ist das Council die oberste Behörde der Fis. Es besteht aus 21 Mitgliedern: dem Fis-Präsidenten, 18 weiteren vom Kongress gewählten Mitgliedern und zwei Vertretern der Athletenkommission. Das Council ist für die Strategie und die allgemeine Geschäftsführung der Fis verantwortlich.

Das Executive Committee befasst sich mit allen dringenden Angelegenheiten zwischen den Sitzungen des Council. Dieses Exekutivkomitee trifft alle notwendigen Entscheidungen in dringenden Angelegenheiten zwischen den Council-Sitzungen. Es besteht aus dem Präsidenten, den vier Vizepräsidenten, dem Schatzmeister, einem weiteren Ratsmitglied, einem Athletenvertreter im Council und dem Generalsekretär, der kein Stimmrecht hat.

Während der Vorstand die Entscheidungen trifft, sitzen die Experten des operativen Geschäfts in den zahlreichen Komitees, Subkomitees und Arbeitsgruppen. Laut Fis-Statuten haben die (Sub-)Komitees und Arbeitsgruppen ausschließlich eine beratende Funktion. Hier werden alle Entscheidungen und Änderungen geprüft und vorbereitet.

Die Wahl des Fis-Präsidenten

Die Wahl des Präsidenten, so heißt es in den Statuten, fällt in den Aufgabenbereich des Kongresses und kann nicht auf ein anderes Organ übertragen werden. Voraussetzung ist zunächst ein entsprechender Kandidatenvorschlag durch einen Mitgliedsverband. Die Amtszeit des Präsidenten beträgt vier Jahre. Eine Wiederwahl ist zulässig, jedoch darf eine Person nicht länger als zwölf Jahre im Amt sein (das gilt für Wahlen ab dem diesjährigen ordentlichen Kongress).

Der Beschluss für die Wahl des Präsidenten erfordert eine Mehrheit von mehr als 50 Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen. Erhält kein Kandidat im ersten Wahlgang die Mehrheit aller abgegebenen Stimmen, findet ein zweiter Wahlgang statt, bei dem der Kandidat mit den wenigsten Stimmen im ersten Wahlgang ausscheidet. Dieser Prozess wird so lange wiederholt, bis ein Kandidat eine Mehrheit von mehr als 50 Prozent aller abgegebenen gültigen Stimmen erhält.

Darf ein Mitglied eine geheime Abstimmung einfordern?

Der Präsident wird grundsätzlich in offener Abstimmung gewählt, die Fis-Statuten enthalten aber eine spezielle Regelung für eine geheime Abstimmung bei der Wahl des Präsidenten. Der Kongress kann auf Antrag eines Delegierten oder eines Council-Mitglieds mit der Mehrheit aller abgegebenen Stimmen beschließen, dass die Wahl geheim erfolgen soll. Eine solche Möglichkeit ist insbesondere bei der Präsidentenwahl begrüßenswert, weil sich Mitgliedsverbände nicht mit dem mächtigen Fis-Präsidenten offen anlegen werden wollen.

Die geheime Abstimmung dürfte beim gegenständlichen Kongress erfolgreich beantragt worden sein. In einem solchen Fall ist dann – etwa durch geeignete organisatorische Maßnahmen – sicherzustellen, dass das Stimmverhalten bei der Abstimmung anderen Mitgliedern und Dritten nicht bekannt wird. Wurde sie durch Maßnahmen – wie zu enges Zusammensitzen der Wahlberechtigten – untergraben, stellt das – wohl auch unter Schweizer Vereinsrecht – einen gravierenden Fehler dar und kann zur Bekämpfung der Wahl berechtigen.

Keine Gegenstimme bei Abstimmung

Eine Wahl, bei der die Delegierten nur eine einzige Option haben, um eine gültige Stimme abzugeben, nämlich mit Ja zu stimmen, ist wohl ebenfalls nicht mit dem Schweizer Vereinsrecht in Vereinbarung zu bringen. Die fehlende Möglichkeit, Nein zu einem Kandidaten zu sagen, widerspricht allgemeinem Demokratie- und Rechtsverständnis. Eine Stimmenthaltung ist mit einem Nein jedenfalls nicht gleichzusetzen.

Anfechtbarkeit von Vereinsbeschlüssen

Wäre der Sachverhalt nach österreichischem Recht zu beurteilen, würde die Unterscheidung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen eine Rolle spielen. Nichtige Beschlüsse sind solche, die schon aufgrund ihres Inhalts keine rechtliche Wirkung entfalten. Anders als nichtige Beschlüsse bleiben anfechtbare Beschlüsse – nach österreichischem Vereinsrecht – grundsätzlich rechtsgültig, sofern sie nicht binnen eines Jahres mittels Anfechtungsklage erfolgreich gerichtlich geltend gemacht werden.

Die Nichtmöglichkeit einer Abgabe einer negativen Stimme sowie die Verletzung des Geheimnisschutzes könnten schon so gravierend sein, dass es nicht einmal einer Anfechtung des Beschlusses bedarf. In diesem Sinne hält § 7 Satz 1 des österreichischen Vereinsgesetzes fest, dass Beschlüsse von Vereinsorganen nichtig sind, wenn dies Inhalt und Zweck eines verletzten Gesetzes oder die guten Sitten gebieten. Letztendlich kommt es im konkreten Fall freilich auf Schweizer Vereinsrecht an.

Was können die einzelnen Mitgliedsländer in Zukunft dagegen tun?

Die Mitgliedsverbände, sohin auch der ÖSV, haben ein Vorschlagsrecht. Die Kandidaten für das Amt des Präsidenten müssen spätestens sechzig Tage vor dem Kongress von einem Mitgliedsverband vorgeschlagen werden.

Fraglich ist daher, warum Österreich und andere "Widersacher" nicht von diesem Vorschlagsrecht Gebrauch gemacht haben. Das dürfte auf einen geschickten Schachzug des Präsidenten zurückzuführen sein. Eliasch hat seine Pläne betreffend die Zentralisierung der Vermarktung bei der Fis, die Einmischung in den Rennkalender und diverse andere Reformvorhaben erst Anfang April bekanntgegeben. Also zu einem Zeitpunkt, zu dem das Vorschlagsrecht nicht mehr ausgeübt werden konnte.

Ausblick

Wie auch immer der (Rechts-)Streit innerhalb der Fis ausgehen mag, die Causa wirft jedenfalls kein gutes Licht auf die Fis. Im Übrigen hat die Revolte gegen Eliasch auch schon beim Kongress erste Früchte getragen. So wurde dessen Machtposition dadurch geschwächt, dass mit dem Amerikaner Dexter Paine einer seiner wichtigsten Verbündeten aus dem Fis-Council abgewählt wurde.

Die Wiederwahl hat viel verbrannte Erde hinterlassen. Das zeigt auch, dass gegenwärtig über die Verbands- und Organisationsstruktur der Fis diskutiert wird. Viele stellen sich die Frage, wie zeitgemäß und innovativ die Struktur der Fis noch ist – eine Struktur mit einem riesigen beratenden Unterbau, einem 21-köpfigen Geschäftsführungsorgan und einem allmächtigen Präsidenten an der Spitze. Der Schrei nach einer Organisation nach dem Vorbild eines Wirtschaftsunternehmens mit einem kleineren unabhängigen Vorstand, dem es ausschließlich darum geht, den Skisport in erfolgreiche Zeiten zu führen, wird lauter.

Es bleibt mit Spannung abzuwarten, ob die Wahl tatsächlich juristisch bekämpft wird. Es ist jedenfalls zu hoffen, dass die Fis ihre verbandsinternen Grabenkämpfe bis zur neuen Saison beseitigt hat. (Johannes Mitterecker, 20.6.2022)