Wer in den vergangenen anderthalb Jahren in Bitcoin investiert hat, liegt im Minus. Jeder. Kritikern von Kryptowährungen dürfte es zu Wochenbeginn ein sehr breites Grinsen aufgezogen haben, denn es crashte ordentlich am Markt. Die Krypto-Galionsfigur Bitcoin rutschte fast unter die psychologisch wichtige Marke von 20.000 Dollar und grundelt seither etwas darüber herum. Auch für die Nummer zwei, Ethereum, ging es deutlich nach unten.

36 Grad vor der Haustür hin oder her, der Markt der Digitalwährungen dürfte bereits im Kryptowinter angekommen sein. Der Ausdruck leitet sich vermutlich von der Erfolgsserie Game of Thrones ab. Das von dort stammende geflügelte Wort "Winter is coming" dient in der Serie als Warnung, dass jederzeit Unheil ausbrechen könnte. Umgemünzt auf digitale Währungen heißt das so viel wie: Die Preise fallen (was sie bereits laufend tun) und bleiben längerfristig niedrig. Die letzte Fröstelphase begann 2018 und dauerte zwei Jahre.

Der Winter in Istanbul ist meist ein kurzes Spektakel. Am Kryptomarkt dürfte sich eine längere Kältephase anbahnen.
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Preis unter Erschaffungswert

Bereits Anfang Mai schepperte es ordentlich, es wirkte jedoch, als hätte sich der Markt wieder beruhigt und die Kurse eingependelt. Falsch gewirkt. Wegen des jüngsten Crashs fiel der Bitcoin-Kurs sogar unter den sogenannten realisierten Preis, wie eine Analyse von Glassnode zeigt. Das ist der durchschnittliche Preis eines Bitcoins zum Zeitpunkt, als er erschaffen wurde. Glassnode zufolge steht der realisierte Preis aktuell bei 23.430 Dollar. Das Rekordhoch vom vergangenen November – rund 69.000 Dollar – scheint Lichtjahre entfernt. Die Stimmung ist gekippt, und mittlerweile wurde richtig viel Geld abgezogen. Im Herbst betrug die Marktkapitalisierung aller Kryptowährungen zusammengerechnet etwa drei Billionen Dollar. Davon sind knappe zwei Billionen wieder weg.

Ende des billigen Geldes

Ebenfalls weg ist die Zeit des billigen Geldes, das trifft hochriskante Anlageklassen natürlich hart. Nach Jahrzehnten der Niedrig- bis Nullzinspolitik heben die Notenbanken die Zinssätze wieder an. Am Mittwoch schraubte etwa die US-Notenbank Fed den Leitzins um 0,75 Punkte nach oben – das ist der größte Sprung seit 1994.

Seit November geht es für den Kurs von Bitcoin stetig bergab, Investoren haben bereits Billionen Dollar abgezogen.
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Verstärkt wird der Abwärtstrend aber auch durch zahlreiche andere Problemherde. Erst stürzte TerraUSD ins Bodenlose, danach brach die Schwesterwährung Luna zusammen. Bis zu 60 Milliarden Dollar sollen dabei vernichtet worden sein, heißt es in Expertenkreisen. Bei großen Plattformen wie Coinbase und Crypto.com kommt es zu Entlassungswellen, und dann stoppte auch noch das Celsius-Network seine Transaktionen. Celsius ist eine Kreditplattform, die Kryptovermögenswerte in der Höhe von 20 Milliarden Dollar verwaltet und Sparern Zinsen von bis zu 18 Prozent verspricht. Da es nur für die wenigsten Coins reale Anwendungsfälle gibt, geht es in erster Linie darum, viele Investorinnen und Investoren zu finden. Momentan kommt von den rund 1,7 Millionen Kundinnen und Kunden allerdings niemand an sein Geld.

Erhoffte Marktbereinigung

Durchaus etwas abgewinnen kann dieser ganzen Situation der Bitcoin-Experte Nikolaus Jilch. "Man muss unterscheiden zwischen Bitcoin und Krypto, und bei Kryptowährungen kommt es nun zum Glück zu einer Marktbereinigung. NFTs, Defi, aber auch Ethereum oder Cardano – nichts davon ist, was es vorgibt zu sein. Unter diesen Projekten befinden sich viele Scams und sogar Ponzi-Schemes." Es sei überdies völlig klar, dass es mit dem Bitcoin-Kurs vorerst bergab geht. "Die Notenbanken haben den Kurs gewechselt, das wird vorerst so bleiben. Netflix und Co brechen auch ein", sagt Jilch.

Durchaus diametral ordnet der Chef der Plattform Binance, Changpeng Zhao, die Situation ein. In einem Interview mit Bloomberg sagte er, dass es sich beim derzeitigen Crash um "normale Marktschwankungen" handle. Es sei normal, dass Märkte auf und ab gingen. "Das sehen wir auch an den Aktienmärkten." Zudem kündigte er an, 2000 neue Mitarbeiter einstellen zu wollen. Möglich sei das, weil man auf teure Super-Bowl-Werbespots und Sponsorenverträge verzichtet habe.

Winter oder Sommer – institutionelle Anleger lassen sich davon nicht beirren. Wie man hört, haben bereits zahlreiche Investoren damit begonnen, auf fallende Kurse zu wetten. Wie man aus der Vergangenheit weiß, kann auch das lukrativ sein. (Andreas Danzer, Mickey Manakas, 17.6.2022)