Was die Grübelei genau zu bedeuten hat, weiß nur er selbst: Nicolas Cage (re.) tritt in "Massive Talent" von Tom Gormican eine tollkühne Achterbahnfahrt durch sein eigenes Rollenprofil an.

Foto: Lionsgate

Der Filmstar sonnt sich auf einer Liege am Pool, in der Hand hält er nicht den ersten Drink an diesem Tag. Als er von seinem Gastgeber und dessen Cousin mit lästigen Fragen in seiner Ruhe gestört wird, erhebt er sich und tritt mit einigen entschiedenen Schritten schnurstracks ins Becken, um das Getränk unter Wasser zu genießen. Keine Sorge, er wird noch rechtzeitig gerettet.

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Nicolas Cage (58), der italoamerikanische Star mit einem Werkkorpus von hundert Filmen, spielt sich in The Unbearable Weight of Massive Talent (auf Deutsch ohne Milan-Kundera-Verweis schlicht: Massive Talent) selbst. Oder genauer: Er spielt virtuos mit der Vorstellung, die sich das Publikum im Lauf der Jahrzehnte von ihm gemacht hat. Cage, der romantische Rebell aus Wild at Heart oder Leaving Las Vegas, trifft auf Cage, den aus der Reihe tanzenden Action-Star, trifft auf Cage, den schillernden Selbstdarsteller der eigenen Dekadenz. Being Nicolas Cage, das ist in Tom Gormicans Film kein Honiglecken.

Geschenk an die Fans

Verblüffenderweise stand das Drehbuch von Gormican und Kevin Etten schon 2019 auf der Liste der besten unproduzierten Drehbücher in Hollywood. Die Autoren schickten das Drehbuch an Cage und betonten dabei nochmals ihren Respekt und ihre Bewunderung für ihn. Cage verstand den Wink schließlich. Der Film ist vor allem ein Geschenk an Fans – und zeugt dabei von der Großzügigkeit eines Stars, der seinen Status nicht so wichtig nimmt, dass er nicht auch für einen gute Portion Selbstironie zu haben wäre.

Möglich machte diese Rolle allerdings erst der Umstand, dass Cage in die Spätphase seiner Karriere eingetreten ist, in der er sich eigentlich alles erlauben kann. Anfang des Jahres bezauberte er in dem Independent-Film Pig als Waldschrat, der sich in eine Rächerfigur verwandelt, als ihm sein geliebtes Schwein gestohlen wird. Der Schauspieler, der einmal ganz oben auf der Paylist (und Playlist) von Hollywood stand und sich dann durch die Mühlen von Billigproduktionen kämpfte, die nur als Video (oder online only) ausgewertet wurden, erneuerte sein Profil, indem er seine eigene Ikonisierung vorantrieb. Ganz ohne Fremdhilfe von Regisseuren wie Quentin Tarantino, die auf solche Rebrandings spezialisiert sind.

Fette Gagen, viele Schulden

Vielleicht ist diese Fähigkeit zur Resilienz ja familiär begründet. Cage, der mit wirklichem Namen Nicolas Kim Coppola heißt, ist der Neffe der Regielegende Francis Ford Coppola, Sofia Coppola ist also seine Cousine, Jason Schwartzman sein Cousin. Er kennt das Geschäft von der Pike auf, und er hat miterleben müssen, dass Aufstieg und Fall im Film mitunter nur unterschiedliche Teile derselben Wellenbewegung sind. Von den fetten Gagen, die Cage Ende der 1990er-Jahre für Filme wie The Rock oder Conair kassierte, blieb Ende der 2000er nichts übrig. Seine Insel auf den Bahamas steht übrigens weiter zum Verkauf.

Doch mittlerweile präsentiert sich Cage gelassen und selbstsicher wie nie. Er gibt gut gelaunte Interviews wie jenes für die Los Angeles Times zu Beginn des Jahres, in dem er auch von seiner Krähe namens Hoogan erzählte, mit der er in Las Vegas lebt. Er schätze das Edgar-Allan-Poe-Element an ihr und bekannte bei der Gelegenheit, selbst ein "Goth" zu sein. Er sprach auch davon, dass er den Begriff des "thespian" dem des Schauspielers vorziehen würde – es gehe ihm mehr um die innere Wahrheit einer Figur – und wie er es empfunden hatte, nach ein paar Flops von den "Studios marginalisiert zu werden".

Vorwand für Rollenspiele

An diese deprimierende Zeit seiner Laufbahn schließt nun auch Massive Talent an. Cage ist in der Talsohle seiner Karriere angekommen und beschließt, das demütigende Angebot seines Managers anzunehmen, für einen Milliardär aus Mallorca (Pedro Pascal), zugleich sein größter Fan, den Affen zu machen, und es dann ganz mit der Liebe fürs "Thespian"-Sein bleiben zu lassen. Dass daraus eine turbulente Agentengeschichte erwächst, in der Cage in der Rolle des Spions Ähnlichkeiten zum Schauspiel entdeckt, ist eigentlich eher nebensächlich.

Denn das Geschehen ist im Grunde nur ein Vorwand, um Cage und seine kurvige Karriere in einem sehr demokratischen Sinne aufzufächern. Das heißt, er darf hier ebenso der grimassierende Actionheld wie der nach höheren Aufgaben strebende Schauspieler sein, oder ein Mafioso, der mit Latex-Maske und hatschender Gestik an John Woos Meisterwerk Face Off erinnert. In seinem zusammengeschusterten Irrsinn, der manchmal auch einfach einfältig ist, beweist dieser Film, dass das Startum von Cage eine alchimistische Note hat. Er versteht es sogar, aus Schund eine großartige One-Man-Show zu machen. (Dominik Kamalzadeh, 18.6.2022)