Badener Luxus, vorbildlich saniert: Die von Otto Wagner erbaute Jugendstilvilla Hahn wurde von einem russischen Geschäftsmann auf eigene Kosten renoviert.

Foto: Christian Fischer

Die prächtigste unter Badens Residenzen ist die sogenannte Putin-Villa nicht. Modern renoviert ist das im 19. Jahrhundert erbaute Haus, mit weiß getünchter Fassade und einem mehrfach vergiebelten, gut in Schuss befindlichen Dach. Eine gewundene Steintreppe führt aus dem Garten auf eine große Veranda. Links des Hauses ist ein glasüberdachter Swimmingpool erkennbar – soweit man das von der Straße her sehen kann.

Denn der Blick auf das Grundstück ist von einer dichten Hecke aus verschiedenem Busch- und Baumbestand versperrt. Die Hecke ist besonders üppig, undurchdringlicher und wuchernder als die meisten anderen grünen Sichtschutze glücklicher Badener Villen- und Gartenbewohner.

Möglicherweise hat auch das die Gerüchte um das Haus in der mondänen Flamminggasse angeheizt. In früheren Jahren seien dort offiziell wirkende Limousinen in großer Zahl vorgefahren, heißt es. Auffällig unauffällige Männer in formeller Kleidung seien in dem Objekt ein- und ausgegangen.

Ihn selbst, den russischen Präsidenten und Kriegsherren gegen die Ukraine, Wladimir Putin, hat bisher zwar noch niemand in der Villa erspäht, auch wenn man sie nach ihm benennt. Trotzdem soll er ab und an in der beschaulichen Stadt Baden gesichtet worden sein – einmal in einem Restaurant, einmal in einem Auto vorbeifahrend.

Bis zu 40 Prozent der Gäste

Verlässlich sind diese Schilderungen keineswegs. Aus dem Nirgendwo kommen sie aber auch nicht. Vielmehr fallen sie in der Kurstadt 25 Kilometer südlich von Wien auf fruchtbaren Boden, weil Baden eine ausgeprägte Phase von russisch-osteuropäischem Tourismus der gehobenen Kategorie hinter sich hat.

Reiche Russinnen waren jahrelang die beliebtesten Devisenbringer. In den frühen 2010er-Jahren kamen bis zu 40 Prozent der Badener Gäste aus Russland, Belarus und aus der Ukraine. Es gab russischsprachige Stadtführungen und kyrillische Speisekarten in manchen Restaurants.

Die 1832 errichtete Villa Sine steht hingegen leer – offenbar wegen des Denkmalschutzes.
Foto: Christian Fischer

Die Klientel, so heißt es, schätzte die Thermalquellen und die Nähe zur Großstadt Wien, das Kasino und die Naturnähe. Nach der russischen Annexion der Krim und den darauffolgenden EU-Sanktionen flaute der Zustrom ab. Durch den Überfall Russlands auf die Ukraine und seine Folgen ist er inzwischen fast versiegt.

Sesshaft geworden

Bis dahin jedoch waren viele der reichen Gäste bereits in Baden sesshaft geworden. Gerüchte über Immobilienspekulationen von Oligarchen machten die Runde. Vor 2014 habe es einen wahren Run vermögender Russen und anderer Osteuropäerinnen auf verkäufliche Villen in der Stadt gegeben, so will es die Fama. Auch Objekte in schlechtem Zustand seien erworben, schmuck renoviert und anschließend teurer weiterverkauft worden. Die Höhe der Preise sei vielfach egal gewesen.

Eine lokale Immobilienmaklerin drückt es zurückhaltender aus. Ja, eine Reihe vermögender russischer, belarussischer und ukrainischer Familien hätte sich in Baden niedergelassen. Manche hätten inzwischen die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen, lebten jetzt hier und schickten ihre Kinder in Wiener Privatschulen, sagt sie.

Offiziell sind derzeit in der 25.000-Einwohner-Stadt Baden rund 200 russische und belarussische Staatsbürger gemeldet. Hinzu kommen rund 100 Ukrainerinnen und Ukrainer – die seit Februar hinzugekommenen Flüchtlinge sind da nicht mitgezählt.

Beliebte neue Reiche

Reiche Russinnen und Osteuropäer sind in Baden recht beliebt. Froh könne man sein, wenn ein Mensch viel Geld ausgebe, das letztlich in den Erhalt der städtischen Bausubstanz fließe, lautet der Tenor von der Hotelportierin zum Lokalpolitiker. Tatsächlich sind die Immobilienpreise im Badener Luxussegment so hoch, dass nur bestbetuchte Interessentinnen die finanziellen Herausforderungen stemmen können.

Hinzu kommen Auflagen des Denkmalschutzes, der für die meisten Villen gilt, die vielfach aus den 1830er-Jahren stammen. Der nachträgliche Einbau einer Zufahrt oder gar einer Garage ist dann unmöglich, was manche Objekte schwer verkäuflich macht.

Vizebürgermeister Helga Krismer (Grüne) vor der angeblichen Putin-Villa.
Foto: Grüne NÖ / Christian Dusek

Das Autoplatzproblem hat der Inhaber der Villa Hahn in der Weilburgstraße teuer, aber denkmalschutzkonform gelöst. Er hat eine Tiefgarage bauen lassen, mit einer Einfahrt neben dem Objekt. Der vom Jugendstilarchitekten Otto Wagner errichtete Palast samt weitläufigem Anwesen, auf dem mehrere Naturdenkmäler stehen, wurde auf Geheiß des russischen Geschäftsmannes vorbildlich renoviert. Für die Villa soll der Mann 3,6 Millionen Euro hingeblättert haben. Die Renovierung hat dann wohl nochmals eine Millionensumme verschlungen.

Kulturdenkmal in Privatbesitz

Am Zaun des Anwesens sind Tafeln angebracht, die die Villa, die Teil eines Touristenrundgangs ist, als Kulturdenkmal in Privatbesitz ausweist. Woher der Inhaber die Mittel für die letztlich fremdenverkehrsfördernde Sanierung hatte, ist nicht bekannt. Er sei im Bereich Import/Export tätig, heißt es nur.

Tatsächlich ist auf amtlichem Weg nicht zu erfahren, wem welche Villa gehört. Das heimische Melderecht schützt die Daten niedergelassener Personen stark. Das österreichische Abgabengesetz wiederum lüftet die Identität von Personen, die nach einem Grundstückserwerb Grundsteuer gezahlt haben, nicht.

Das sei beides im Grunde auch gut so, sagt Helga Krismer, die grüne Vizebürgermeisterin der Kurstadt und Chefin der Grünen in Niederösterreich – und sieht sich hier mit dem schwarzen Ortschef Stefan Szirucsek einig. Der Ortschef, zu den Russenvillen befragt, streicht im STANDARD-Gespräch den zentralen Wert des Eigentumsrechts heraus.

Aktuell jedoch müsse man weiterdenken, meint Krismer. In Zeiten des Krieges Russlands gegen die Ukraine sei der starke rechtliche Schutz auch problematisch. Festzustellen, ob eine Villa oder ein anderes Objekt einer der 1158 Person gehört, die den EU-Sanktionen gegen Kriegstreiber und -profiteure unterliegen, sei dadurch unmöglich. Für Verdachtsfälle brauche es Ausnahmen beim Datenschutz und beim Steuerrecht, fordert sie daher vom Bund.

Unklare Besitzverhältnisse

Konkret sind für das Durchführen und Überwachen der Sanktionen in Österreich mehrere Abteilungen im Wirtschaftsministerium und in der Nationalbank zuständig. Die Verständigung der Gerichte bei Verdachten ist Aufgabe der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst im Innenministerium. Auf manche Putin-Freund-Vermutungen muss man aber erst kommen. Gewisse Erwerbs- und Besitzkonstruktionen sind dafür schlicht zu wenig durchschaubar.

Die angebliche Putin-Villa ist dafür ein Beispiel. Laut einem Informanten sind 2010 für ihren Kauf 1,3 Millionen Euro von einer Liechtensteiner Stiftung an eine zweite geflossen. In beiden Anstalten war dieselbe Vermögensverwalterin zeichnungsberechtigt: eine Konstruktion, die als typisch für Immobiliendeals zwischen Russen und EU-Bürgern gilt.

Um zu unterstreichen, dass gegen den Ukraine-Krieg effizient vorgegangen werden muss, stellte sich Krismer im heurigen März mit einem Plakat vor die Hahn- und die Putin-Villa. Der Slogan "Stand with Ukraine" forderte die Villenbesitzer auf, Wohnraum für Kriegsflüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Vom Inhaber der Villa Hahn erhielt sie daraufhin eine Absage. Für Ukrainer engagiere er sich schon anderweitig, schrieb er. (Irene Brickner, 18.6.2022)

DER STANDARD