"Danke, dass ihr uns ein Leben geschenkt habt!" – Marco Wanda umarmt in der Wiener Stadthalle sein Publikum.

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Am Schluss musste die Gitarre daran glauben. Marco Wanda überführte sie mittels Rock'n'Roll-Tod in die ewigen Feedbackjagdgründe. Man darf diese klischeehafte Geste als Ausdruck überhöhter Lebensfreude deuten, und daran herrschte am Ende des Auftritts von Wanda am Freitag kein Zweifel: "Oida, zwei fucking Jahre!", entfuhr es Marco Wanda nach den ersten Liedern nach Beginn der Show vor 12.000 Fans. Jede und jeder davon wusste, was gemeint war.

Am ersten von zwei Gastspielen in der größten Halle des Landes war Wiedergutmachung angesagt, Wiedersehensfreude, endlich. Es galt ein Loch zu stopfen, in das alle gezwungen wurden, und Wanda, die nach der lesbischen Zuhälterin Wanda Kuchwalek benannte Band, gab und gab und gab.

Ein Pfeil auf Viagra

Was auf Platte oft zu gesittet erscheint, zu glatt, live wird die Sau Gassi geführt, selbst wenn Gitarrist Manuel Poppe nur im Sitzen spielen konnte, er trägt zurzeit einen gipslosen Gips am Bein. Aber Wanda haben ja ihre Jacke. Die ist aus Leder, also zäh, hat Corona ohne Schnupfen überstanden und in ihr steckt Marco Wanda, einer der besten Frontmänner des Landes. Ein höflicher Berserker. Einer, der noch ins Publikum köpfelt, einer der – Vorsicht Triggerwarnung, es geht jetzt gleich um Nikotin – auf der Bühne raucht und eben am Schluss die Gitarre über die Donau schickt.

Wanda haben die Erfolgsstory der heimischen Popmusik geschrieben. Ihr Debüt Amore 2014 schlug ein wie eine Arschbombe im Babybecken. Seitdem zeigt der Pfeil wie von einer Überdosis Viagra unterstützt, nach oben. Die Stadthalle einmal füllen ist schon nicht leicht, zwei Mal? Kein Ding für Wanda.

Räude und Hingabe

Die können mit Luzia oder Bussi Baby gleich zu Beginn Songs bringen, die andere Bands für die Zugaben zurückhalten würden. Aber Wanda haben davon reichlich. Ihre Gassenhauer vermählen Lebensgefühl mit eingängiger Rockmusik. Das tut Bon Jovi auch, und der trug in den 1980ern wahrscheinlich dieselbe Lederjacke wie Marco Wanda, doch Wanda, die Band, die sind keine Jeansbügler, sondern bringen die Räude mit auf die Bühne. Den Grind, die Hingabe, Dedication, wie das so edel auf Englisch heißt.

"Wer war damals in den Gürtellokalen dabei?", fragte Wanda nach den Anfängen der Band, bei deren ersten Konzert sieben Besucher zugegen gewesen sein sollen. Hunderte Hände fahren hoch. "Und wer ist bei den Mainstream-Mitläufern?" – da zeigte der Rest auf. "Danke, dass ihr uns ein Leben geschenkt habt", sagte er dann zu allen, und meint es.

Bier, Schweiß und Tränen

So einen Draht zum Publikum hat nicht jeder. Da war es egal, dass das stellenweise eingesetzte Streicher-Trio im Sound ziemlich abgesoffen ist. Doch ein Wanda-Konzert ist keine Audiophilen-Messe, es ist eine Party mit Bier, Schweiß und Tränen. Und Songs wie 0043, dem neuen, etwas ungelenk betitelten Rocking In Wien, Meine beiden Schwestern oder die Lebensbeichte Ich Will Schnaps.

Das Publikum sang als zweite Stimme fast alles mit. Am Ende kamen 1,2,3,4 oder Columbo. Überzeugen mussten Wanda an diesem Abend sowieso niemanden – und taten es dennoch. Am Samstag gibt es eine zweistündige Zugabe. Da treten Wanda noch einmal an; Restkarten gibt es noch. Bussi, Baby. (Karl Fluch, 18.6.2022)