Roiss leitete die OMV von 2011 bis 2015. Ihre Zukunft sieht er nicht in Österreichs Händen.

Foto: APA / Herbert Neubauer

Wien – Österreich solle sich aus dem Mineralölkonzern OMV zurückziehen, solange seine Anteile in Höhe von 31,5 Prozent noch etwas wert seien. Das meint der frühere OMV-Vorstandschef Gerhard Roiss im Interview mit dem Magazin "Profil" vom Samstag. Der Zeitpunkt dafür sei günstig: "Die Öl- und Gaspreise sind hoch, so sind es auch die Bewertungen der Energiekonzerne. Wenn der Staat den Ausstieg aus der OMV intelligent plant, kann er in den kommenden drei, vier Jahren fünf Milliarden, mit etwas Geschick auch bis zu zehn Milliarden Euro lukrieren", sagt Roiss, der von 2011 bis 2015 Vorstandsvorsitzender der OMV war.

Borealis soll an die Börse

Er verstehe das nicht als Privatisierung, sondern als "rechtzeitigen Rückzug aus einer alten Industrie". Die OMV-Tochter Borealis, auf die der Mineralölkonzern sein Geschäft in der Zukunft konzentrieren will und die zu 75 Prozent der OMV und zu 25 Prozent der Mubadala Investment Company aus Abu Dhabi gehört, solle in Wien an die Börse: "Die Borealis braucht nicht die OMV, um lebensfähig zu sein. Und die Republik Österreich braucht auch keine Beteiligung an einem Chemiekonzern, zu dem sich die OMV ja entwickeln will."

Die Einnahmen aus einem potenziellen OMV-Verkauf sieht Roiss als mögliches Investitionskapital für Bildungsprojekte: "Würden wir aus den Erlösen eines OMV-Verkaufs den Universitäten Geld in die Hand geben, um dort Innovationszentren und Start-ups zu schaffen, hätten wir einen enormen Hebel hin zu neuem Wissen, neuen Technologien, neuen Arbeitsplätzen." Das brächte Österreich "innerhalb einer Dekade ins europäische Spitzenfeld". Dazu dürfe das Geld aber nicht in einem Regierungsbudget versanden, sondern müsse der universitären Selbstverwaltung zufließen.

Verbund soll für Gas sorgen

Was die strategische Versorgung Österreichs mit Gas anbelangt, sieht Roiss den Verbund als entscheidenden Player – dessen Aufsichtsratschef Roiss nach seiner OMV-Zeit war. Beim Strom passiere das schon: "Die Verbund AG hat einen solchen Versorgungsauftrag für Strom, und ihre Aktionäre wissen, dass die Versorgungssicherheit Vorrang vor der Gewinnoptimierung hat. So gesehen ergibt es Sinn, die beiden leitungsgebundenen Energien mit einem Versorgungsauftrag in einem Unternehmen zu konzentrieren. Noch dazu, wo der Staat zumindest 51 Prozent am Verbund halten muss und auch Bundesländer mittelbar beteiligt sind." (red, 18.6.2022)