Tino Chrupalla und Alice Weidel sind das Spitzenduo der AfD.

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Am Samstagvormittag steht der 36-jährige AfD-Bundestagsabgeordnete Norbert Kleinwächter im sächsischen Riesa in der Sachsenhalle am Rednerpult und trägt seine Forderung vor: "Wir haben keine Zeit mehr für den gärigen Haufen. Wir brauchen Disziplin." Damit spielt er auf eine Aussage des AfD-Mitbegründers und nunmehrigen Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland an. Der hatte einmal erklärt, die 2013 gegründete AfD sei eben eine junge Partei, "ein gäriger Haufen", und daher könne man auch Streit nicht immer vermeiden.

Doch in den vergangenen Jahren war die "Alternative für Deutschland" fast nur noch durch parteiinternen Streit aufgefallen. Mit dem Thema Asyl konnte sie nicht mehr punkten, es ist in den Hintergrund geraten. Die russlandfreundliche Haltung kam auch bei vielen Wählerinnen und Wählern von früher nicht an. In die Schlagzeilen schaffte es die AfD vor allem mit internen Unstimmigkeiten.

Und das missfällt Kleinwächter, daher wollte er am Samstag in Riesa die Partei übernehmen. Doch es gelang ihm nicht. Bei der entscheidenden Abstimmung, der Wahl zum ersten Bundessprecher, unterlag er dann doch dem bisher schon amtierenden Chef Tino Chrupalla. Chrupalla erhielt 53 Prozent Zustimmung, Kleinwächter nur 36 Prozent. Damit war die Revolte gegen den 46-jährigen Chrupalla, die ein Teil der AfD vor dem Parteitag angezettelt hatte, vom Tisch.

Unterstützung vom "Flügel"

"Gemeinsam haben wir viel erreicht, wir machen nicht mit bei Impfpflicht, Krieg und offenen Grenzen", hatte Chrupalla zuvor bei seiner Bewerbungsrede für sich geworben und zudem gewarnt: "Wir sind keine zweite FDP und auch keine zweite CDU." Damit skizzierte er den Gegenkurs zu Kleinwächter. Dieser stammt aus dem vergleichsweise gemäßigten Lager und sieht sich als "konservativ-liberal". Doch er konnte sich nicht gegen Chrupalla durchsetzen.

Der Sachse Chrupalla, ein Malermeister, betont zwar gerne und oft, dass er für die ganze Partei stehe. Aber es ist kein Geheimnis, dass er vom "Flügel" unterstützt wird. Dieser vor allem in Ostdeutschland starken Strömung innerhalb der AfD bescheinigte der der Verfassungsschutz eine "gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung". Offiziell gibt es den Flügel nicht mehr, das Gedankengut aber ist natürlich weiterhin vorhanden. Und der Thüringer Landeschef Björn Höcke ist nach wie vor die Identifikationsfigur.

Björn Höcke mit eigenen Ambitionen

Er war auf diesem Parteitag in Riesa nicht untätig, meldete sich mehrmals zu Wort, um für seine Strategie zu werden. Künftig könne die AfD auch von einer Einzelperson geführt werden, nicht von einer Doppelspitze, forderte er und schränkte dies aber gleichzeitig ein: Es sei dafür derzeit noch "zu früh". Erst in zwei Jahren, bei der nächsten turnusgemäßen Wahl, soll dann nur noch eine Person an der Spitze der Partei stehen. Denn, so Höcke: Jetzt brauchen wir erstmals einen Bundesvorstand, der den Selbstbeschäftigungsmodus hinter sich lässt und die Energie auf den politischen Gegner wendet, und das zu 100 Prozent." So manche in der Partei sehen darin Höckes eigene Ambition: Er könnte dann in zwei Jahren die Partei alleine führen.

Zunächst folgte der Parteitag Höckes Regie, es blieb somit bei der Doppelspitze. Als zweite Sprecherin wurde Alice Weidel gewählt. Sie führt gemeinsam mit Chrupalla schon die Fraktion im Bundestag, nun stehen die beiden auch an der Spitze der Partei. Bisher waren Chrupalla und Jörg Meuthen die beiden Bundessprecher gewesen. Meuthen hatte im Jänner die Partei verlassen, da sie ihm zu rechtsextrem geworden war. Er engagiert sich jetzt für die deutsche Zentrumspartei und nennt die AfD ein "Auslaufmodell". Dem widersprach Weidel am Parteitag: "Die AfD ist kein Auslaufmodell, die AfD ist das notwendige Korrektiv in der verkrusteten Parteienlandschaft." Hauptsächlich war die AfD am Freitag und Samstag mit der Neuwahl der Parteispitze beschäftigt. Doch sie sprach sich auch für den Bau neuer Atomkraftwerke in Deutschland aus. (Birgit Baumann aus Berlin, 18.6.2022)