Illegale Absprachen zwischen Bauunternehmen hielten die Bundeswettbewerbsbehörde die letzten Jahre auf Trab.

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Wenn Unternehmen illegale Absprachen treffen oder große Konzerne fusionieren, wird die Bundeswettbewerbsbehörde aktiv: Sie prüft Verstöße gegen den freien Wettbewerb und bringt sie vor Gericht. Eine entscheidende Rolle spielt dabei der Generaldirektor der Behörde, der als oberster Wettbewerbshüter die Letztverantwortung trägt.

Seit vergangenem Herbst, als der bisherige Chef Theodor Thanner überraschend zurücktrat, ist diese Position unbesetzt. Jetzt dürfte das Rennen um seine Nachfolge aber in die heiße Phase gehen. Als Favoriten gelten zwei Personen, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Natalie Harsdorf-Borsch, die 37-jährige Interimschefin der Behörde, und Michael Sachs, der 61-jährige Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG).

Noch ist die Entscheidung offen, bereits im Vorfeld gibt es aber Kritik. Denn mehrere Branchenvertreter, die der STANDARD in den vergangenen Tagen kontaktiert hat, bezweifeln, dass das Match zwischen den beiden völlig fair abläuft.

Kampf um Unabhängigkeit

Der bisherige Chef Thanner war vor seinem Rücktritt Ende November mehrmals mit dem Wirtschaftsministerium aneinandergeraten – etwa im Streit um eine Änderung des Wettbewerbsrechts. Das Ministerium wollte sich mehr Einfluss auf die Behörde sichern und sie dazu verpflichten, Anfragen zu Verfahren zu beantworten. Thanner sträubte sich und pochte auf Unabhängigkeit, letztlich wurde die Novelle entschärft. Die Querelen dürften jedoch Mitgrund für seinen frühzeitigen Abgang gewesen sein.

Natalie Harsdorf-Borsch gilt seit längerem als die logische Nachfolgerin an der Spitze.
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Die Geschicke an der Spitze der Behörden übernahm interimistisch Thanners Stellvertreterin, Natalie Harsdorf-Borsch. Schon seit längerem gilt die 37-jährige Juristin als dessen logische Nachfolgerin. Harsdorf-Borsch hatte ihre Karriere 2009 bei der Wettbewerbsbehörde gestartet. Nach ihrer Zeit als Referentin leitete sie die Rechtsabteilung, 2014 wurde sie zur stellvertretenden Geschäftsstellenleiterin befördert. 2021 stieg sie dann zur stellvertretenden Generaldirektorin auf.

In Fachkreisen gilt Harsdorf-Borsch als Expertin für Wettbewerbsrecht und als international gut vernetzt. Dass sich zahlreiche Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte die Juristin an der Spitze der Behörden wünschen, ist mittlerweile ein offenes Geheimnis. Sie gilt zwar als streng, gleichzeitig aber als verlässliche und kompetente Ansprechperson. Das sei gerade in einer komplexen Materie wie dem Kartellrecht unerlässlich, heißt es. Die Behörde habe sich in den letzten Jahren auch gerade ihretwegen einen guten Ruf erarbeitet.

Politischer Kandidat?

Dass Harsdorf-Borsch tatsächlich die Führung übernehmen wird, ist jedoch nicht sicher. Dem Vernehmen nach ist ihr stärkster Konkurrent Michael Sachs, seit 2014 Vizepräsident des Bundesverwaltungsgerichts. In Fachkreisen gilt der 61-jährige Jurist, der seinen Karriere im Kabinett des damaligen ÖVP-Wirtschaftsministers Wolfgang Schüssel startete, als der "politische Kandidat". Sachs war jahrelang im Ministerium tätig, später leitete er das Bundesvergabeamt, das 2014 im Bundesverwaltungsgericht aufging.

Michael Sachs ist derzeit Vizepräsident am Bundesverwaltungsgericht.
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Dass sich Sachs, ein Urgestein des Vergaberechts, für die Wettbewerbsbehörde bewarb, hat mitunter überrascht. Zuletzt hat man ihm eher Ambitionen nachgesagt, das Amt des Präsidenten am Bundesverwaltungsgericht anzustreben. Abgesehen von einer vierjährigen Tätigkeit in der Wettbewerbskommission – ein beratendes Gremium der Behörde, das mehrmals jährlich zusammentritt – hat Sachs auch deutlich weniger Erfahrung im Kartellrecht als Harsdorf-Borsch.

Geänderte Ausschreibung

Eine kleine aber erwähnenswerte Änderung in der Ausschreibung der Stelle zum Generaldirektor könnte ihm jedoch helfen. Laut dem Wettbewerbsgesetz ist eine "mindestens fünfjährige Berufserfahrung auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts" Voraussetzung.

Anfang 2017, als das Wirtschaftsministerium die Position das letzte Mal ausgeschrieben hatte, floss diese Berufserfahrung laut Ausschreibungstext noch je nach Qualität in die Beurteilung der Kandidatinnen und Kandidaten ein. In der aktuellen Ausschreibung ist die Vorerfahrung allerdings nur noch "allgemeine Voraussetzung". Damit wird sie nur noch "abgehakt" und nicht mehr gewichtet.

Beide Ausschreibungen sind gesetzlich gedeckt. Warum es trotzdem zu der Änderung kam, hat das Ministerium dem STANDARD bisher nicht beantwortet. Sachs selbst sagt auf Anfrage, dass er sich auf Grundlage der öffentlichen Ausschreibung beworben habe. "Änderungen in irgendeine Richtung hin" seien ihm nicht bekannt.

Eine endgültige Entscheidung könnte in den kommenden Wochen fallen. Das Gutachten der Personalkommission dürfte bereits abgeschlossen sein. Die Auswahl liegt bei der Bundesregierung, die dem Bundespräsidenten einen Ernennungsvorschlag macht. Das heißt, auch die Grünen haben ein Mitspracherecht. In Fachkreisen wünscht man sich jedenfalls eine kompetente und verlässliche Spitze. Es seien "heiße Zeiten fürs Kartellrecht", sagt einer, der nicht namentlich genannt werden will. "Die Unabhängigkeit der Behörde ist wichtiger denn je." (Jakob Pflügl, 18.6.2022)