Thomas Gottschalk und Mike Krüger stehen auf der Bühne des alten Casinos Velden. Es ist ein bisschen dunkel, ein kleiner Saal, in dem sich Journalisten und Kameraleute drängen. Beide, Gottschalk und Krüger, standen schon auf größeren Bühnen. Aber sie feuern mit routinierter Schlagfertigkeit ihre Witze und Witzchen ab, als wäre es "Wetten, dass..?" oder RTL. "Jeder kann während des Films rausgehen. Es wäre sonst das erste Mal, dass aus einem Film von uns keiner vorzeitig geht", sagt Gottschalk.

Die deutschen Show-Veteranen Gottschalk (72) und Krüger (70) sind an diesem Freitag nach Velden am Wörthersee gekommen, um ein Jubiläum zu feiern: (ungefähr) 40 Jahre "Supernasen"-Filme. Die Produktionsfirma Lisa Film zieht dafür die größtmögliche Show an dem noblen Seeufer ab. Ein Kunstpilot kreist am Nachmittag im Doppeldecker "Roter Baron" über der Veldener Bucht, Andreas Gabalier singt vor dem Schlosshotel Lieder wie "Bügel dein Dirndl gscheit auf", und im Casineum Velden treffen sich am Abend die großteils betagten Ehrengäste zu nostalgischer Musik und essen sogar nostalgisches Essen. Das "80er-Nostalgie-Menü" besteht unter anderem aus "Ragout à la Stroganoff" und "Provenzalischen Garnelen".

Mike Krüger und Thomas Gottschalk: Die Supernasen
Foto: Robert Newald

Damit nicht zu viel Pathos aufkommt, kalauern Gottschalk und Krüger sich durch die Interviews mit der Societypresse. Weil die beiden ihre Hände für die "Starmeile" am Wörthersee in Zement tauchen sollen, sagt Krüger etwa: "Wenn sie unsere Nasen dafür genommen hätten, würden die Leute stolpern auf der Straße." Damit ist der Ton für den Nachmittag gesetzt. Flacher Strand, flache Witze, so wie damals fürs Kino.

Die sogenannten "Supernasen"-Filme umfassen vier Produktionen. Neben den namensgebenden "Die Supernasen" (1983) und "Zwei Nasen tanken Super" (1984), die beide am Wörthersee gedreht wurden und mehr als vier Millionen Menschen in die westdeutschen Kinos lockten, gab‘s noch den Vorläufer "Piratensender Powerplay" und den Nachfolger "Die Einsteiger". An diesem Freitag werden im ehemaligen Casino alle vier Werke nacheinander gespielt, zu Ehren der Promi-Besucher aus Deutschland. Neben dem Kinosaal ist eine Ausstellung eingerichtet mit Filmplakaten und Kostümen, die Hinweise auf die hanebüchene Handlung der Filme geben. Im ersten Teil gründen Gottschalk und Krüger ein Detektivbüro und ermitteln am See in diversen Verkleidungen.

"Zwei Nasen tanken Super"
Foto: Lisa Film GmbH

Die Filme sind Kinder ihrer Zeit wirken heute mächtig aus der Zeit gefallen, wie man beim Wiederansehen feststellt: Männer in Frauenkleidern, Frauen als Stichtwortgeberinnen für Herrenwitze. Ein Beispiel: die erste Dialogzeile aus "Zwei Nasen tanken super".

Gottschalk: "Hast du gelesen: Die Polizei sucht einen Typen, der hier im Park rumrennt und Frauen belästigt."

Krüger: "Gute Idee, vielleicht bewerb‘ ich mich mal."

Die Blödelfilme entzweiten damals schon Kritik und Publikum – begreifen kann man den Erfolg bei letzterem nur mit Blick auf den Kosmos der Produktionsfirma Lisa Film und ihres Chefs Karl Spiehs, der im Jänner mit fast 91 Jahren gestorben ist. Das Filmarchiv Austria hat Spiehs‘ Lebenswerk im Jahr 2017 mir einer Retrospektive inklusive des Buchs "Wörthersee & Exploitation" gewürdigt: 400 Werke, Serien mitgezählt, seien aus der Schmiede der Lisa Film gekommen, darunter immerhin mehr als 20 Wörthersee-Kinofilme.

Karl Spiehs, Produzent der Supernasenfilme.
Foto: Lisa Film GmbH

Die Wörtherseefilme waren zunächst nach Schablonen des Heimatfilms fabrizierte Schlagerfilme und entführten ein weltkriegstraumatisiertes Publikum in eine heile Welt, die übersichtlich und voller schöner Landschaften war. Wer in den Wald geht oder an den See fährt, sieht zumindest keine Kriegsruinen. Die Marke Lisa Film steht unter anderem für Pauker-, Hochwürden-, Softsex- und Schlagerkomödien. Filme, die schon bei ihrem Erscheinen altmodisch wirkten. Titel wie "Wenn die tollen Tanten kommen" (1970) oder "Wenn jeder Tag ein Sonntag wär" (1973) zeugen davon – Filme wie ein Versprechen, dass es wieder so wird, wie es nie war. Roy Black trällerte damals den Schlager "Schön ist es, auf der Welt zu sein". Heute steht eine Büste von ihm gegenüber vom Schlosshotel am Wörthersee.

Otto Retzer, Thomas Gottschalk, Mike Krüger in Velden.
Foto: studiohorst.at/Lisa Film

"Otto, Otto, Otto, schau zu mir", ruft eine Fotografin dem Lisa-Film-Urgestein Otto Retzer zu, der einst Aufnahmeleiter und später Regisseur war. Der Glatzkopf läuft in einem geblümten Hemd aus dem Schlosshotel raus, während Gottschalk und Krüger noch drinnen sitzen, in der gekühlten Zigarrenlounge, zwischen dicken Büchern, und Journalistentermine abspulen. Draußen an der Seepromenade warten tatsächlich mehrere hundert Schaulustige und schwitzen in der Sonne. Und ein paar Meter näher dran am Schlosshotel wartet ein Pulk an Fotografen und fotografiert sicherheitshalber jede ältere Frau, die aus der Lobby rauskommt, weil zunächst unklar scheint, ob das nun ein Hotelgast ist oder ein vergessener Filmstar aus den Achtzigerjahren.

Die Lisa Film hat die versammelte Presse vorab gebeten, "von Fragen zur aktuellen politischen Situation (Ukraine)" abzusehen. In der Zigarrenlounge blickt Thomas Gottschalk lieber zurück auf mehr als 150 Folgen "Wetten, dass..?", rund 20 Kinofilme und mehrere Ausflüge ins Privatfernsehen. Würde er etwas davon nicht mehr machen? "Es stünden keine 1.000 Leute vor der Tür, wenn wir alles falsch gemacht hätten", sagt Gottschalk zum STANDARD. "Das sind Leute, die uns ohne Wenn und Aber mögen. Das sind keine verblendeten Follower, die jeden gut finden, der heute nur laut genug blökt." Spitzen gegen den Zeitgeist findet man in Gottschalk-Interviews seit ein paar Jahren häufig. "Es wird derzeit leider oft so getan, als wären wir alte weiße Männer, die nur noch Unsinn erzählen", sagt er.

Krüger, Schöpfer des "Nippel"-Songs von 1980, der aber in kleiner Runde ziemlich ernst und nachdenklich wirken kann, hat auch kein schlechtes Gewissen: "Wir haben uns aus den Achtzigerjahren unser Peter-Pan-Gefühl erhalten. Das merke ich heute den ganzen Tag über." Er und Gottschalk, sie hätten sich vor dem Velden-Besuch ja lange nicht gesehen. Wenig später laufen sie raus zum nächsten Auftritt, diesmal am See, am Himmel der Doppeldecker und am Boden der Gabalier.

Fans und ihre Stars.
Foto: studiohorst.at/Lisa Film

Das Filmarchiv Austria erklärt den Erfolg der "Supernasen"-Filme damit, dass das Publikum "zwei der ihren auf der Leinwand" erkannte. Es war wohl eine einfache Rechnung des Österreichers Spiehs, die aufging: bewährte Erzählmuster plus zwei Publikumslieblinge, die einfach sich selbst spielten.

Die Welt des Wörtherseefilms ist höchst artifiziell, nicht nur weil deutsche Schauspieler regelmäßig Einheimische an dem offenkundig österreichischen See spielten. In dieser Welt sind die Hauptfiguren zwar Schlawiner und auf ihren eigenen Vorteil bedacht, aber kein Streit führt jemals zu ernsthaften Konflikten. Filme wie 90 Minuten Urlaub und daher die perfekte Tourismuswerbung für den Wörthersee, diese türkisblaue Projektionsfläche aller menschlichen Sehnsüchte. Heute produziert die Lisa Film keine Kinofilme mehr.

In "Die Supernasen" heißt Velden übrigens "Bad Spänzer", ein typischer Achtzigerjahrewitz. Mike Krüger sagte kürzlich, der Produzent Spiehs habe sich Gottschalk/Krüger als westdeutsche Antwort auf Bud Spencer und Terrence Hill überlegt. In der Zigarrenlounge erzählt der Norddeutsche, er würde auch noch einen Film mit Gottschalk machen, 37 Jahre nach dem letzten, "Die Einsteiger". In der Story damals konnten die Filmhelden über ein Gerät in Videokassetten einsteigen und fanden sich in Filmen à la "Rocky" und "Indiana Jones" wieder.

"Bad Spänzer" am Wörthersee.
Foto: Lisa Film GmbH

Gottschalk scheint auch begeistert von der Idee: "Zwei Typen, die in den Achtzigern durch politisch unkorrektes Verhalten auffielen, sind plötzlich wieder da und suchen jetzt vergeblich einen Zigarettenautomaten." Krüger erzählt: "Es gab sogar schon Gespräche, und die sind tatsächlich daran gescheitert, dass ich gesagt habe: Ich will nicht darüber diskutieren, ob ich diesen einen Gag machen darf oder nicht." Der Film, sagt er, würde wohl "Die Rückkehr der Supernasen" heißen. Es müsse sich eben eine Produktionsfirma finden. Vorerst bleibt Nostalgie-Fans nur dieses Wochenende am Wörthersee. (Lukas Kapeller, 19.6.2022)

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