Geht es nach Habeck, sollen die Wettbewerbshüter mehr Möglichkeiten bekommen, schärfer gegen Mineralölkonzerne vorgehen zu können.

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Berlin – "Klauen und Zähne" soll ein neues Kartellrecht nach Wunsch des deutschen Wirtschaftsministers Robert Habeck (Grüne) haben. Der Grund für seinen Vorstoß liegt auf der Hand: Die hohen Spritkosten steigen trotz des kürzlich beschlossenen Tankrabatts weiter an.

Die deutsche Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP hatte am 1. Juni eine Spritpreisbremse eingeführt, mit der sie die Energiesteuer auf Benzin und Diesel bis zum 31. August vorübergehend senkte. Das sollte die Kosten drücken, und tatsächlich kam es vorübergehend zu einer Entlastung. Jetzt klettern die Preise aber wieder nach oben. Profitieren von der Steuersenkung also die Tankstellen und Ölkonzerne?

Laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wirkt der Tankrabatt zumindest teilweise. Es sei davon auszugehen, dass die Preise ohne die Steuersenkung noch deutlich höher wären. Auch das deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (Ifo) stützt ihn in dieser Annahme.

Der Vorschlag Habecks stieß bei seinen Koalitionspartnern aber dennoch auf offene Ohren. "Die Richtung stimmt", ließ etwa Finanzminister Christian Lindner (FDP) wissen. In der Frage, ob Energiekonzerne durch die Spritpreisbremse zusätzliche Gewinne einfahren, sei nun das "Kartellamt gefordert".

Leichtere Durchsetzung

Geht es nach Habeck, sollen die Wettbewerbshüter mehr Möglichkeiten bekommen, schärfer gegen Mineralölkonzerne vorgehen zu können. Das Kartellamt soll etwa einfacher Gewinne abschöpfen und Konzerne entflechten dürfen.

Beides ist zwar auch jetzt schon möglich, nach dem Wunsch des Ministers soll es aber deutliche Erleichterungen geben. Bisher musste die Behörde nachweisen, dass Unternehmen ein Kartell bilden. Oft gibt es aber gar keine Absprachen, sondern die Konzerne kopieren lediglich das Verhalten ihrer Mitbewerberinnen. Künftig soll laut Habeck daher bereits ein "vermachteter Markt" reichen, um Maßnahmen rechtfertigen zu können. Der Beweis eines tatsächlichen, schuldhaften Verhaltens der Marktteilnehmer soll nicht mehr notwendig sein.

Kartellrechtsanwälte kritisieren den Vorstoß im STANDARD-Gespräch als "Schnellschuss". Aufgrund der aktuell hohen Inflation die Regeln zu ändern sei der falsche Weg. Viel wichtiger sei es, die bestehenden Regelungen ordentlich zu vollziehen. Dasselbe gelte für Österreich, wo eine ähnliche Reform derzeit nicht geplant ist – auch wenn Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) im Frühjahr eine Untersuchung der Ölbranche durch die Wettbewerbsbehörde forderte.

Kurzfristig würde die deutsche Reform den Konsumenten jedenfalls nicht helfen. Bis das Gesetz verabschiedet ist, könnten noch Monate oder Jahre vergehen. Zumindest ist die Ankündigung laut deutschem Wirtschaftsministerium aber ein "Signal an den Markt". (Jakob Pflügl, 20.6.2022)